Meer auf der Haut spüren – Interview mit Dr. Inez Linke

Meeresbiologin und Geschäftsführende Gesellschafterin des Unternehmens Oceanbasis. Sie ist für die maritime Naturkosmetik Oceanwell zuständig. „Die Idee, mit nachhaltig kultivierten Algen Produkte zu entwickeln, die gesund für Mensch und Meer sind, begeistert mich“, so ihre Motivation bei vielen ihrer Forschungsprojekte.

Frau Dr. Linke, was ist das Besondere an Algen bzw. an Meereswirkstoffen?
Wenn wir von Meereswirkstoffen reden, dann reden wir zuallererst von Meerwasser und zweitens natürlich von den Meeresalgen, die sich ihre Nährstoffe zum Leben aus dem Meerwasser holen. Sie ernähren sich nicht wie die Landpflanzen durch Wurzeln in der Erde, sondern über ihre Blattoberfläche. Ein Kilo frisch geerntete Algen enthält Wirkstoffe von bis zu 10 000 Liter Meerwasser. Sie sind also viel reichhaltiger an Wirkstoffen als die Landpflanzen.
Algen und Meerwasser sind nicht nur voller hochwertiger Wirkstoffe. Sie haben auch einen nachweislich positiven Effekt auf verschiedene Krankheiten wie Rheuma oder Asthma, zum Beispiel durch die Inhalation oder auch Wannenbäder mit Meerwasser.
Grundsätzlich wird durch Algen der Stoffwechsel angeregt, die Durchblutung wird gefördert und Giftstoffe werden aus dem Körper gespült. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Zellerneuerung, angeregt durch eine Remineralisierung. Wenn wir unsere Hautzellen anschauen, finden wir Natrium, Kalium, Magnesium in genau der Zusammensetzung, wie sie auch im Meerwasser vorkommt. Das heißt, die Haut erkennt diese Mineralstoffe und nutzt sie genau in der Konzentration, wie sie sie auch benötigt. Das fördert die Regeneration der Zellen und stärkt damit auch allgemein das Immunsystem.

All diese positiven Eigenschaften finden wir auch in maritimen Kosmetikprodukten mit Meereswirkstoffen wieder?
Ja genau, Produkte mit Algen bzw. mit Meerwasser schützen und stärken die Haut intensiv. Man kann sagen: Man hat das Meer auf der Haut und deshalb mehr für die Haut.

Gesicht oder Körper – wo sehen Sie die hauptsächlichen Anwendungsgebiete?
Man kann grundsätzlich im Institut und Spa maritime Kosmetikprodukte ganz klassisch verwenden, wie bei Wannenbädern beispielsweise. Wir haben aber auch viele Kosmetikerinnen, die vorwiegend das Gesicht behandeln und da wirklich auch auf jeden Hautzustand, jeden Hauttyp eingehen können.

Sind diese Produkte auch bei irritierter sowie sensibler Haut geeignet?
Unbedingt! Sie eignen sich sogar besonders dafür. Wir bieten drei Pflegelinien an. Eine Linie enthält zum Beispiel neben Algen auch Kollagen aus dem Meer und eine ist komplett parfumfrei.
Gerade bei trockener und auch bei sensibler Haut ist die oberste Hautschicht oft sehr in Mitleidenschaft gezogen. Sie ist dünn und dadurch leicht rissig, weshalb Bakterien eindringen können. Juckreiz und Spannungsgefühl kommen zusätzlich hinzu.
Meeresmineralien stärken hier die Hautzellen, wirken entzündungshemmend und auch regenerierend. Dieses Zusammenspiel hat rasch einen guten und sichtbaren Effekt auf die Haut, selbst bei Neurodermitis und Schuppenflechte .

„Ein Kilo frisch geerntete Algen enthält Wirkstoffe von bis zu 10 000 Liter Meerwasser.“

Wie ist es mit der Anti-Aging-Wirkung von Meereskosmetik?
Diese Wirkung haben wir natürlich unbedingt. Denn die Produkte mit Meereswirkstoffen sind intensiv feuchtigkeitsspendend. Und eine der wichtigsten Anforderungen an Anti-Aging-Produkte ist ja die Reduzierung von Falten, die oft durch Trockenheit entstehen, gerade um die Augen oder den Mund. Mit Meereskosmetik erzielt man einen wirklich tollen sichtbaren Vorher/Nachher-Effekt. Zudem enthalten die Produkte eine große Anzahl an Antioxidantien.
Ein wichtiges Thema ist auch das Kollagen. Wir hatten dazu ein Forschungsprojekt, bei dem wir Kollagen aus Quallenschirmen entnommen haben, um zu schauen, wie man das für orthopädische Anwendungen bei der Regeneration der Knieknorpel anwenden kann. Das aus den Quallen entwickelte Extrakt war sehr feuchtigkeitsspendend und vor allem enorm feuchtigkeitshaltend, also perfekt auch für eine kosmetische Anwendung. Und so haben wir diesen Extrakt aus Quallen in eine unserer Kosmetiklinien eingebunden.

Da Quallen ja immer mehr zur Plage in den Meeren werden, ist die Ressource ja auch genügend vorhanden …
Ja, tatsächlich sprechen einige Wissenschaftler schon seit Jahren von der sogenannten Jellyfizierung der Meere. Man muss dazu sagen, ein Massenauftreten von Quallen gab es schon immer, weil sie mit der Strömung schwimmen. Und je nachdem wie die Strömungen verlaufen, hat man plötzlich sehr viele Quallen an einer Stelle. Aber grundsätzlich nehmen die Quallen tatsächlich auch zu. Das liegt in erster Linie aber nicht an der Erwärmung der Meere, sondern an der Überfischung.
Quallen haben einen interessanten Generationszyklus. Sie sind zu Beginn ein kleiner Polyp, der irgendwo festwächst, sich später abschnürt und dann im Phytoplankton durch die Meere driftet und somit Fischfutter ist. Wenn es aber nicht mehr genügend Fische gibt, vermehren sich die Quallen unnatürlich. Insofern hat eine kosmetische Nutzung mehrere positive Aspekte.

Braucht es ein Thalasso im Spa, um Meereskosmetik authentisch anzuwenden?
Wir meinen nein. Denn wenn man Meersalz hat, kann man auch Meerwasser herstellen. Natürlich ist es toll, wenn man das Meer direkt vor der Tür hat und über Pumpen den Pool mit Meerwasser füllen kann. Das braucht es jedoch nicht unbedingt, um die Produkte authentisch anzuwenden. Wenn ich Algenpulver und Meersalz habe, kann ich damit wunderbar Bäder und Packungen für eine Ganzkörperbehandlung oder eine Gesichtsanwendung herstellen. Auch die Verwendung von Algen ist kein Problem. Wir bieten sie unseren Kunden gefriertgetrocknet an. Sie werden aufgeweicht und dann kann man sie direkt mit in die Wanne geben, beispielsweise für ein wohltuendes, erfrischendes Algenbad. Ich glaube, dass in einem Spa, egal ob in den Bergen oder am Meer, eine Behandlung mit Algen oder Meerwasser das Behandlungsangebot sehr gut ergänzen kann, weil diese Wirkstoffe viele positive Effekte aufweisen, die auch mit anderen Produkten ergänzt werden können.


Frische Brise: Um mit Meereskosmetik zu arbeiten braucht es nicht unbedingt die Nähe zum Meer. Algen und Meersalz wirken überall wohltuend auf die Haut

Meeresbiologen, Verfahrenstechniker, Forscher und Hautexperten …

Das Team des Kieler Unternehmens Oceanbasis entwickelt seit mehr als 20 Jahren innovative Produkte aus dem Meer für Naturkosmetik und gesunde Nahrung. Schutz und nachhaltige Nutzung der Meere im Sinne der Agenda 2030, insbesondere das Nachhaltigkeitsziel SDG 14, sind dabei die Leitziele. Inhalt der SDG (Sustainable Development Goals) sind unter anderem, die Meeresverschmutzung und Vermüllung durch Plastik deutlich zu verringern. Gesunde und biodiversitätsreiche Meeres- und Küstenökosysteme sollen nachhaltig verwaltet, geschützt und wiederhergestellt und die Versauerung der Ozeane so weit wie möglich reduziert werden. www.oceanbasis.de


Ist die Wirkung getrockneter Algen ähnlich der frischen?
Wir bieten unsere Algen als lange getrocknete Blätter an. Wenn man sie wieder mit Wasser benetzt, dann haben sie genauso eine feuchtigkeitsspendende und durchblutungsfördernde Wirkung wie frische Algen. Das bezeugen auch unsere Kosmetikerinnen. Vielleicht gehen beim Trocknen ein paar Vitamine verloren, aber im Wesentlichen bleiben alle Inhaltsstoffe der Alge erhalten.
Was bei uns noch besonders ist: Wir haben einen Fermentationsprozess entwickelt, bei dem wir gefrorene Bio-Algen aus nachhaltig zertifizierten norwegischen Farmen verwenden. Wir nehmen die frischen, wieder aufgetauten Algen, zerkleinern diese, geben Wasser dazu und Hefekulturen.
Nach einem drei- bis vierwöchigen Fermentationsprozess, bei dem auch natürlicher Alkohol entsteht, erhalten wir einen Extrakt, der nachweislich alle wertvollen Bestandteile der Alge enthält. Selbst empfindliche Vitamine werden gelöst und verbleiben im Extrakt.

Können Sie noch einmal die Hauptinhaltsstoffe der Algen zusammenfassen?
Ja, sehr gern. Das sind Meeresmineralien und gelöste Salze wie Natrium, Kalzium, Magnesium, aber eben auch Spurenelemente wie Zink, Jod und Strontium.
Dann haben wir die sogenannten speziellen Algenzucker. Diese sehen Sie, wenn Sie Algen trocknen. Dann entsteht ein weißes Pulver, was auch wirklich leicht süßlich schmeckt. Diese langkettigen Zucker haben einen starken schützenden und feuchtigkeitsspendenden Effekt. Weiter enthalten sind die Vitamine B, B12 und auch verschiedene Polyphenole, also antioxidativ wirkende Radikalfänger.
In Algen findet man zudem Aminosäuren, also Eiweißbausteine und auch verschiedene Moleküle, die einen schützende Wirkung gegen UV-Strahlung haben. Algen sind eine uralte Gruppe von Pflanzen, die im Wasser leben. Vermutlich leben mehrere 100 000 Arten in den Gewässern der Erde … und wir nutzen nur einen Bruchteil davon.

Algen spielen auch als Nahrungsmittel eine immer größere Rolle …
Ja, denn Algen schmecken richtig gut und sind, aufgrund all der genannten positiven Wirkstoffe, auch als Nahrungsmittel sehr zu empfehlen.
Wir beteiligen uns seit einem halben Jahr an einem spannenden Forschungsprojekt, zusammen mit der dänischen Universität in Odense. Da geht es darum, Algen als Nahrungsmittel der Gesellschaft näher zu bringen. Die Dänen sind in diesem Bereich viel weiter als wir. Gemeinsam haben wir Verschiedenes bereits ausprobiert, wie beispielsweise Knäckebrot aus Algen herzustellen.
Inzwischen arbeiten wir auch mit verstärkt mit Köchen zusammen, um unsere Ideen in der Praxis auf Herz und Nieren zu prüfen. In der Gastronomie öffnet man sich immer mehr solchen alternativen Nahrungsmitteln. Zum einen, um dem anspruchsvollen Gast neue Geschmacksrichtungen zu bieten, aber auch in Bezug auf das Thema Nahrungsmittelknappheit sind viele beim Thema Algen sehr hellhörig geworden.

Wie sinnvoll ist es, auch im Spa Nahrungsergänzungsmittel oder Zusatzprodukte zum Thema Algen anzubieten?
Das ist in einem Spa sicher sinnvoll, denn es rundet das Angebot mit Produkten aus dem Meer sehr schön ab. Unser Team hat unter anderem einen Algentee mit Lemongras, Minze und Algenzuckerflocken entwickelt, den man vor oder nach einer Behandlung servieren kann. Neben dem Tee bieten wir auch verschiedene Nahrungsergänzungsmittel für zu Hause.
Ich persönlich mag vor allem unsere getrockneten Flocken aus Rotalgen. Die Flocken sind einfach und dennoch vielseitig zu verwenden und können täglich gegessen werden, in dem man sie beispielsweise auf einen frischen Salat oder auch ein Spiegelei streut. Somit hat man in Kombination mit maritimer Kosmetik die vielseitig positive Wirkung der Algen sowohl innerlich als auch äußerlich.

Interview: Franka Hänig


Maritime Naturkosmetik

Die maritime Naturkosmetik-Marke „Oceanwell“ beinhaltet drei hochwirksame Pflegeserien, die auf unterschiedliche Ansprüche der Haut abgestimmt sind: die Oceanwell Basic.Line, die ProAge Line OceanCollagen und Biomarine Cellsupport für besonders beanspruchte Haut. Die aktiven Substanzen werden in eigens dafür entwickelten Verfahren schonend aufbereitet. Im Mittelpunkt vieler Produkte steht die Laminaria-Alge aus eigenem nachhaltigen Anbau und NATRUE-zertifiziert. Die in Nord- und Ostsee lebende Algenart speichert hochkonzentriert Mineralien und Spurenelemente und bildet daraus eine Art Schutzschild gegen alle schädlichen Einflüsse – wie zum Beispiel UV-Strahlung. Zudem kann sie Feuchtigkeit extrem gut binden. In den Kosmetikprodukten wird sie deshalb u. a. als Radikalfänger für die Zellerneuerung genutzt. Sie ist Energie- und Feuchtigkeitslieferant und sorgt so für straffe Haut und gilt als Motor für den Stoffwechsel, da sie vitalisierend und entschlackend wirkt.