„Hamburg, meine Perle, du wunderschöne Stadt“ sang Lotto King Karl seine Lobeshymne auf die pulsierende Metropole im Norden Deutschlands. Frühstück am Fischmarkt, anschließend shoppen in den Designerläden rund um die Marktstraße, abends ins trendige Schanzenviertel und dann ab auf die Reeperbahn: Die Hansestadt Hamburg ist eine Reise wert – oder mehrere.
Eine Bekannte, die neulich nach Hamburg gezogen ist, hat sich noch zu Hause eine neue Jacke gekauft. Eine grauschwarze Outdoorjacke mit Kapuze. Einen Windstopper mit verschweißten Nähten, garantiert hundertprozentig wasserdicht.
Ja, es regnet in Hamburg. Oft. Heftig. Unerbittlich. Aber das macht nichts. Denn nirgendwo sonst genießen Menschen mit stolzer Gelassenheit im November ihr Feierabendbier im Freien, können wenige Sonnenstrahlen ein Maximum an Lebensfreude auslösen, fi nden Partys im Frühling draußen statt, auch wenn Nachtfrost droht. Der Hamburger, die Hamburgerin ist damit aufgewachsen, dem Klima zu trotzen. Sich von ein paar Regentropfen die Schönheit der Hansestadt vermiesen zu lassen, war noch nie eine Option. Man zieht dann einfach die Kapuze tiefer in die Stirn, tritt ein wenig fester in die Fahrradpedalen und verabredet sich mit Freunden auf dem Kiez, in der Schanze oder zu einem der unzähligen kulturellen Events.
Nicht umsonst wird Lotto King Karls Lobeshymne auf seine Heimatstadt „Hamburg, meine Perle, du wunderschöne Stadt“ inbrünstig von Hamburgern mit und ohne genaue Textkenntnis mitgesungen und bezeichneten die Independent-Damen der Lassie Singers die Elbmetropole Anfang der Neunziger kurzerhand als ihre „Schatzstadt“. Und gibt es nicht sogar von Tom Waits einen Song namens „Reeperbahn“? Auf jeden Fall aber von Udo Lindenberg. Der Altrocker besingt seit Jahren die Ecken seines Kiezes. Schließlich residiert er an recht prominenter Stelle, im Nobelhotel „Atlantic“ an der Außenalster.
Hamburg, das ist die zweitgrößte und nach vieler Menschen Meinung allerschönste Stadt Deutschlands mit nahezu 1,8 Millionen Einwohnern. Hamburg ist auch der Standort des zweitgrößten europäischen Binnenhafens. Dass zwischen Kleinem Grasbrook und Köhlfl eet, zwischen Vorhafen und Süderelbe jährlich 9,9 Millionen Container mit Turnschuhen, Bananen und Gewürzen aus Übersee umgeschlagen werden, 7560 Containerschiffe anlegen sowie 209 Fahrgastschiff e und 68 Kreuzfahrtriesen, sind nur die nüchternen Fakten. Wer einmal mit einer Hafenbarkasse bis in Reichweite an die ganz großen Pötte herangeschippert ist oder morgens um 6 Uhr erlebt hat, wie sich die gigantische Queen Mary II majestätisch in den Hafen schiebt, der hat wirklich den Duft der großen, weiten Welt geschnuppert und wird ihn wohl so schnell nicht aus der Nase kriegen und immer Sehnsucht nach dem „Tor zur Welt“ verspüren. In keiner anderen Stadt kann man das Fernweh mit einem Sonntagsnachmittagsspaziergang so effektiv kurieren.
Oberhalb des Hafens liegt, ganz klar, die Reeperbahn. Hamburgs Amüsierviertel erhielt seinen Namen übrigens von den Seilern und Taumachern, den sogenannten Reepschlägern, die für die Herstellung der Seile eine lange, gerade Bahn benötigten. Heute trifft man sich auf der Reeperbahn. Gegen 20 Uhr schieben sich Touristenpulks über die Straße, in der Hoff nung, im Vorbeigehen einen Blick in die abgeschirmte Herbertstraße zu erhaschen. Etwa zur gleichen Zeit beziehen die Damen des käufl ichen Gewerbes, gehüllt je nach Jahreszeit in einen Hauch von Nichts oder in grellbunte Skianzüge, ihre Posten in der Nähe der Davidswache, am Hans-Albers-Platz und den einschlägigen Straßen. Gegen 22 Uhr ist das Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ im Operettenhaus vorbei. Einige erlebnishungrige Umlandbesucher wollen jetzt noch einen drauf machen. Gegen Mitternacht kommen die Jugendlichen und strömen in die Clubs. Allerspätestens jetzt sind die Touristen verschwunden, gehört der Kiez wieder den Hamburgern. Hier wird ausgegangen, geschwoft, getrunken, bis um vier, sieben oder auch halb neun. Es feiert sich halt gut in direkter Nachbarschaft zum Hafen. Seit Jahren kämpft der Senat um das Image der Reeperbahn. Da wurde der Spielbudenplatz mit einer eher überfl üssigen Lichtanlage verziert und durch permanente Polizeipräsenz die Bettler und Obdachlosen verscheucht. Gesichtslose Technoclubs tun ihr Übriges. Aber mal ehrlich, schaden ein Fünkchen Halbwelt, eine Prise abgeblätterter Glamour, einige feierfreudige Pinneberger dem blank polierten Image der Hansestadt oder macht es sie nicht umso interessanter, ganz wie Lachfältchen ein Gesicht nur aufregender machen? Hans Albers, der blonde Hans, würde sein Revier wohl nur noch mit Mühe wieder erkennen. Doch es gibt ihn noch, den alten Kiez, die urigen Hafenkneipen wie den seit fast sechs Jahrzehnten von Erna Thomsen geführten „Silbersack“ in der Silbersackstraße und Restaurants wie das gemütliche „Freudenhaus“ in der Hein-Hoyer- Straße, wo die köstliche Rindsroulade „Lilo Wanders“ heißt und „Hamburger Nudel“ serviert wird.
In direkter Nachbarschaft der Speicherstadt, wo einst Teppiche, Pfeff ersäcke und andere Waren aus aller Welt eingelagert wurden, entsteht derzeit auf einer Fläche von 155 Hektar die Hafencity, ein ultramoderner Stadtteil zum Wohnen und Arbeiten, an dem sich die Architekten und Stadtplaner nach Herzenslust austoben können. Etwa die Hälfte des Geländes ist bereits bebaut und langsam zieht Leben ein an den Magellan-Terrassen. Und wenn 2010 die Hamburger Philharmoniker zum ersten Mal ihre Instrumente in der neuen Elbphilharmonie stimmen, dann hat sich Hammonia ein neues Wahrzeichen geschenkt, das den großen Metropolen dieser Welt in nichts nachsteht.
Die Elbphilharmonie ist derzeit wohl das beste Beispiel für den hanseatischen Bürgergeist. Als vor ca. 10 Jahren erstmals die Idee publik wurde, auf den leer stehenden Kaispeicher A einen gläsernen Musikpalast zu platzieren und somit die wunderschöne, aber etwas marode Musikhalle in der Innenstadt zu entlasten, hätten einige Spötter den Visionären wohl am liebsten Größenwahn diagnostiziert – schließlich verschlingt das gesamte Projekt alles in allem 241,3 Millionen Euro.
Doch das hanseatische Understatement ist zäh und wirkungsvoll, und mit der Kampagne „Jeder Stifter wird Teil unserer Geschichte“ hat die Stiftung Elbphilharmonie bereits einen immensen Betrag aus Privatvermögen eingeworben. So wie die gediegene Gesellschaft – man darf die Hamburger Kaufleute auch getrost „Pfeffersäcke“ nennen – auch heute noch marineblaue Blazer mit Goldknöpfen nebst roten Cashmerepullovern bevorzugt und die nicht in Hamburg Geborenen ganz leicht abfällig im Hamburger Missingsch als „Quiddjes“ bezeichnet, ist auch völlig klar, dass man über Geld nicht spricht. Man hat es und tut, idealerweise, Gutes damit. Eben beispielsweise die Kultur fördern. Hamburg hätte wohl kaum zwei Staatstheater sowie unzählige privat geführte Th eater, eine Staatsoper, diverse Museen von Weltruhm, ein Literaturhaus, ein Planetarium und viele andere Kulturinstitutionen, wenn nicht Mäzene wie Gerd Bucerius oder Kurt A. Körber die jeweiligen Stiftungen gegründet hätten.
Viel wäre noch zu sagen über die stolze Hansestadt, beispielsweise darüber, warum es in Eppendorf so viele schöne, blonde Mütter gibt, warum die Werbeleute im Schanzenviertel den ganzen Tag in Cafés zu sitzen scheinen und wieso man auch nachts um zwei noch Jogger an der Alster trifft. Doch erleben Sie es einfach selbst – Hamburg ist jung, international und spannend … und auf jeden Fall nicht nur eine Reise wert.