Abseits des Mainstreams der großen Dufthäuser findet man so genannte Nischendüfte – Parfums kleiner Manufakturen, die eine besondere Zielgruppe ansprechen und nicht in jeder Parfümerie zu haben sind. Das Parfum des kleinen, aber innerhalb der städtischen Grenzen bekannten Modelabels, der Duft der aufstrebenden Parfumeurin aus den USA oder jener aus dem französischen Städtchen, den nur Insider kennen und zu schätzen wissen: Nischendüfte haben ihre Liebhaber.
Eine Bezeichnung, den so mancher Duft nicht verdient, meint Jan Hoyer, Inhaber von „Sündhaft“ in München: „Nur weil ein Duft nicht auf dem Massenmarkt erhältlich ist, weil er in geringer Menge oder in einem kleinen Labor hergestellt wird, muss er sich doch nicht in einer Nische verstecken.“
Nischendüfte von heute sind genau genommen eine Hommage an die traditionelle Kunst des Parfumeurs, der jedem Duft seinen individuellen Charakter verleiht. „Historisch gesehen sind die so genannten Nischendüfte sogar die Norm, denn bis in die 50er Jahre wurden die meisten klassischen Parfums in genau dieser Weise hergestellt und vermarktet. Sie waren nur in wenigen Geschäften in Metropolen wie zum Beispiel Paris erhältlich“, erinnert Jan Hoyer. Doch nicht jedes vermeintliche Kult-Label ist für Kenner auch ein wahres Juwel, warnt der „Sündhaft“-Chef: „Man muss unterscheiden, ob es sich wirklich um einen so genannten Nischenduft handelt, also ein Produkt einer kleinen Manufaktur mit hochwertigen Duftstoff en, oder um ein Massenprodukt, das lediglich durch künstliche Verknappung den Anschein erweckt, ein Nischenduft zu sein“.
Die Begeisterung für das, was die Amerikaner auch gerne als „Indie Scent“, also Independent Scent, bezeichnen, kommt nicht von ungefähr. Ein Grund ist sicherlich, dass die Parfums nicht „an jeder Ecke“ zu haben sind, sondern als Geheimtipps unter Duftliebhabern gehandelt werden. »Ich bin so froh, Düfte Abseits des Mainstreams der großen Dufthäuser findet man so genannte Nischendüfte – Parfums kleiner Manufakturen, die eine besondere Zielgruppe ansprechen und nicht in jeder Parfümerie zu haben sind. Marcel gefunden zu haben, wie ich sie von meiner Mutter oder Großmutter kenne: Unverkennbar und unzertrennbar mit dieser Person verbunden“, das hört Jan Hoyer häufig von seinen Kunden. Doch nicht nur der selektive Vertrieb macht den Duft besonders – auch die Geschichten, die sich um ihn ranken. Denn oft genug rückt auch der Kreateur in den Vordergrund. Wie auch die traditionelle Kunst des Parfumeurs: „Ein Großteil der auf dem Markt erhältlichen Düfte wird nach Marketingkonzepten erstellt und trägt nicht mehr die unverkennbare Handschrift eines Parfumeurs. Diese Düfte werden für die weltweiten Massenmärkte konzipiert. Mit wahrem Luxus und der uralten Kunst der Parfumeure hat dies nichts mehr zu tun. Diese global konzipierten Düfte polarisieren nicht, sie rufen weder Euphorie noch Abneigung hervor“, beschreibt Jan Hoyer den Trend zum Nischenduft.
„Viele Kunden kommen mit dem Ziel, den ganz individuellen, ausgefallenen Duft zu finden“, erklärt David Albrecht von der Parfümerie Albrecht in Frankfurt. „Sie sind müde von den Konsumdüften und bereit, für das Besondere auch einen höheren Preis zu bezahlen“. Und: „Es gibt Individualisten, die sich über ihren Duft darstellen und ausdrücken möchten“. Das bestätigt auch Jan Hoyer: „Immer mehr Kunden wollen individuelle, handwerklich hochwertige Produkte, die nach alten Traditionen hergestellt werden.“ Beispiele gewünscht: „Parfumeure wie Andy Tauer von Tauer Perfumes oder Vero Kern von vero profumo stellen ihre Düfte in Handarbeit und in kleinen Editionen her. Der Preis ergibt sich aus den verwendeten Rohstoff en und nicht aus dem Werbebudget. Der Kunde nimmt den Unterschied in den meisten Fällen sehr wohl wahr.“ In die Parfümerie Albrecht kommen aber auch Kunden mit ganz speziellen Wünschen: Sie suchen eine bestimmte Duftnote. Sei es der Duft der Sonnenmilch aus der Kindheit, die würzige Ledernote des Luxusautos oder einfach nur das Vanillearoma von Großmutters Weihnachtskeksen: Die Nischendüfte decken oftmals ein breiteres und vor allem ausgefalleneres Spektrum an Duftnoten abseits der gängigen Trends ab – und bedienen so auch extravagante Wünsche.
„Die typischen Kunden für einen individuellen Duft sind schwer einzuordnen“, fasst Jan Hoyer zusammen. „Was sie alle vereint, ist die Liebe zu gut gemachten Dingen, sei es ein guter Wein, ein spezielles Olivenöl oder qualitativ hochwertige Kleidung, egal ob ein großer Name auf dem Label steht. Für sie zählt nur wirkliche Qualität und Individualität. Sie sind bereit, gute Produkte abseits der üblichen Pfade zu beziehen und sind nicht empfänglich für durch die Medien und Werbung geschürte Hypes.“ Aber auch der Kunde, der eigentlich wegen eines beworbenen Duftes die Parfümerie betritt, kann an die Nischendüfte herangeführt werden. Die duftende „Verführung“ beginnt damit, dem Kunden die Vorteile (z. B. „man duftet nicht wie Duft Lounge: Hommage an die Kunst der Parfumeureso viele andere“) und Stärken deutlich zu machen, aber auch die Geschichte des Parfums und seiner Kreateure näher zu bringen. Denn der Kunde braucht auch hier das Kauferlebnis, „schließlich geht es bei Parfums in erster Linie um Gefühle und Emotionen“, attestiert David Albrecht.
Es gibt Menschen, die kaufen den neuen Markenduft unbesehen, nur weil das Parfum einen bekannten Namen trägt. Dann gibt es Menschen, die geben sich nur mit dem ganz Besonderen, dem gewissen Etwas, zufrieden. Die Parfumeurin Mona di Orio bietet mit „Cousu Main“ genau das: Ein handgemachtes Parfum, das nach den individuellen Wünschen des Kunden über mehrere Monate kreiert und vollendet wird. Nur zehn Aufträge nimmt die Parfumeurin pro Jahr entgegen, weitere Anwärter wandern auf die Warteliste. Auch der Parfumeur Francis Kurkdjian setzt mit „Tihota“ seiner Duftlinie „Indult“ auf Exklusivität: weltweit ist der Duft auf 999 Flakons limitiert. Wer einen Flakon kauft, erhält eine Registrierung, die allein eine Nachbestellung möglich macht.
Das Wissen der Wirkung von Duftessenzen und Aromen verbindet die Naturwissenschaftlerin, Aromatherapeutin und Kosmetologin Silvana Casoli in ihrer Linie „Il Profumo“, deren Düfte aus rein natürlichen Inhaltsstoff en hergestellt werden: Ob „Macadam“ oder „Chocolat Frais“ – die Parfums sprechen abseits des Mainstream die Sinne an. „Bei den kleinen Manufakturen, den Nischendüften, steckt oft mehr dahinter als nur die Marketingabteilung, die eine Geschichte zum Duft entwickelt“, meint David Albrecht. Die Leidenschaft und die hohe Kunst des Parfumeurs, der Ursprung des Duftes und das Konzept hinter der Parfumlinie werden für den Kunden greifbar und erlebbar – und stellen so einen zusätzlichen Kaufanreiz dar.
Neben der Qualität des Duftes muss aber auch das Äußere stimmen. Zwar muss der Flakon nicht aufwändig gestylt und geschliff en sein, aber gerade bei dem höheren Preis wird z. B. darauf geachtet, dass der Pumpmechanismus gut funktioniert oder die Kappe die perfekte Passform hat. Auch hier gilt: Das Zusammenspiel von Duft und Flakon ist wichtig für den Erfolg beim Kunden. Tipps zur Duftwahl Wer Nischendüfte in seiner Parfümerie aufnehmen möchte, sollte gut überlegen, welche Marken letztendlich im Regal präsentiert werden dürfen. „Nische Extrem“ ist nicht unbedingt erstrebenswert. „Man sollte darauf achten, dass auch das Marketing gewährleistet ist, was jedoch sehr kleine und weitgehend unbekannte Marken oft nicht bieten können“, gibt David Albrecht zu bedenken. „Ohne die entscheidende Unterstützung kann das keine Parfümerie umsetzen.“ Und auch der Standort des Geschäfts ist nicht unwichtig: In größeren Städten ist die Lust auf den besonderen Duft allemal ausgeprägter. Zudem sollte man klare Vorstellungen in puncto Umsatz haben, so Jan Hoyer von „Sündhaft“: „Ich bin mir bewusst, dass von diesen Düften nie große Mengen verkauft werden, aber das ist mir Recht. Wir möchten den Parfumeuren in unserem Geschäft die Möglichkeit geben können, ihre Ideen völlig frei zu verwirklichen. Es sollen ihnen keine Restriktionen auferlegt werden, was den Preis von Rohstoff en angeht. Im Grunde bauen wir damit wieder das Einzelhandelsgeschäft mit wirklich individuellen Marken auf, wie man es vor 20 Jahren noch kannte.“