Rot oder Weiß? Trocken oder lieblich-süß? Zum guten Essen gehört ein edler Tropfen. Doch die Traube bereichert die Küche längst in noch viel mehr Variationen.
Ein Glas Weißwein zum Fisch? Und Rotwein zu dunklem Fleisch? Wer gern gut kocht und zum Essen einen edlen Tropfen servieren möchten, kennt diese Weisheiten aus dem Effeff. Allerdings: Es geht auch anders. „Die alten Dogmen sind längst überholt“, sagt Monika Reule. Sie ist Chefin des Deutschen Weininstituts (www.deutscheweine.de) mit Sitz in Mainz, kennt sich also schon von Berufs wegen aus, und fügt hinzu: „Heute ist erlaubt, was schmeckt.“
Genießen wie ein Profi
Gute Küche und guter Wein – das ist eine Kombination für Genießer. Profis können aus dem Gedächtnis heraus Dutzende Sorten edler Rebensäfte nennen, wissen Bescheid über Anbaugebiete, nennen Jahreszahlen, Güteklassen und Mostgewichte. Wer es sich – auch ohne diese Fachbegriffe – einfach schmecken lassen will, muss dennoch keine Angst bekommen. Und erhält vielleicht Hilfe von entsprechender Stelle. Das Deutsche Weininstitut etwa kümmert sich hierzulande um die Qualität der Tropfen und darum, dass auch Wissen über den Wein vermittelt wird. Jüngster Helfer dabei ist Paul. Der Name ist eine Abkürzung, die Buchstaben stehen für „Passend und Lecker“. Die Kunstfigur soll Hobbyköchen weiterhelfen, wenn sie zum Mahl den richtige Tropfen suchen. Steht gebratener Tofu auf der heimischen Speisekarte oder gar ein selbst belegter Hamburger? Dann wäre vielleicht ein Rivaner gut oder ein Spätburgunder, meint Paul.
Paul lässt sich am ehesten mit einem Aroma-Rad vergleichen, eine Art Drehscheibe, bei der auf einzelnen Ringen verschiedene Themen miteinander kombiniert werden können. Bei Paul sieht das so aus: Im Innenkreis stehen Grundzutaten – Wild, Pasta, Fisch oder Käse. Im zweiten Kreis findet sich die Zubereitungsart. Beides übereinandergestellt, ergibt auf dem Außenkreis die Rebsortenempfehlung – je nach Geschmacksrichtung von trocken bis edelsüß. So passt zur Pizza der Trollinger, zu Spaghetti Bolognese ein Schwarzriesling, zur Gemüsepfanne der halbtrockene Weißburgunder. (Fast) alles geht. Aber dennoch: Gewisse Leitlinien, das versichert auch Weininstituts- Chefin Monika Reule, gibt es sehr wohl. Ein süßer Wein passt eben zu süßem Essen. Ein säurehaltiger eher zu fettreichen Gerichten. Kreativ zu kombinieren, kann dennoch nicht schaden. Wem läuft nicht das Wasser im Mund zusammen, wenn er sich zu einem Fisch in Honig-Dill-Soße ein Glas halbtrockenen Rosé vorstellt? Oder vielleicht zum Ziegenkäse mal einen lieblichen Riesling testen?
Von Öl bis Essig
Dabei muss der Weg von der Rebe in die Küche oder an den Tisch längst nicht ausschließlich über die klassische Flasche führen. Längst haben Produzenten und Vermarkter erkannt, dass das Potenzial des Weins viel größer ist – und sich alle Einzelteile einer Traube weiter verarbeiten lassen. Populär ist vor allem das Traubenkernöl mit seinem aromatischen Geschmack, der an Nüsse erinnert und den manche sogar mit Butter oder Bananen in Verbindung bringen. Der Rest beim Pressen muss ebenfalls kein Fall für den Biomüll werden: zerkleinert und gemahlen wird es zu Mehl, das sich zum Backen eignet, aber auch pur in Müsli oder Quark gegessen werden kann. Markant ist auch dabei der nussige Geschmack. Und: Die wertvollen Inhaltsstoffe bleiben auch dann erhalten, wenn es erhitzt wird. Mehr über den Einsatz von Traubenkernöl und -mehl in der Kosmetik finden Sie im Beitrag ab Seite 64.
Zwischen Saft und Wein
Für Weinessig, der zum Beispiel Salat Geschmack verleiht, werden dem Wein Bakterien zugesetzt. So wird er ein weiteres Mal gegärt. Resultat: Der Wein oxidiert und erhält nach der Lagerung im Holzfass – die bis zu einem Jahr dauern kann – seine spätere Farbe. Mit Start der Ernte im Herbst gehören Rauscher, Sauser oder Brauser auf viele Tische. Der neue Wein, bekannt auch als Federweißer, ist eigentlich nur ein „Saison“produkt. Denn er entsteht beim Übergang vom Traubensaft zum Wein – wenn Süße, Alkohol und Fruchtsaft eine gute Balance aufweisen. Dann hat das Getränk einen Alkoholgehalt von etwa fünf Prozent. Gärt es weiter, wird der Geschmack zunehmend herber – so kann er zuhause bei Zimmertemperatur innerhalb weniger Stunden verändert werden, bis er am besten schmeckt. Kleine Ursache, große Wirkung: Damit wird Federweißer zum idealen Begleiter für leckere Zwiebelkuchen, Esskastanien oder Quiches Lorraines. (Text: Jens Korch, Foto: dp3010 – Fotolia.com)