Von Portugals Hauptstadt starteten einst Entdecker in die ganze Welt. Heute ist der Weg umgekehrt: Besucher reisen an, um eine Stadt zwischen Historie und Zukunft zu entdecken – und um die Seele Lissabons zu ergründen.
Der schönste Moment auf dem Castelo de São Jorge hoch oben über der Stadt ist irgendwann am Abend. Noch ist es hell, doch langsam sinkt die Sonne gen Horizont. Ein Flugzeug zieht am Himmel seine Bahn. Und auf einer flachen Mauer des Castelos, der maurischen Festungsanlage, die einst Königspalast war, sitzen junge Menschen und genießen den Augenblick. Wenn aus den Gassen der Altstadt ab und an ein Klangfetzen des Fado bis hier oben klingt, diese unvergleichlich emotionalen Gesänge, dann lässt sich vielleicht die Seele Lissabons im Ansatz erahnen: Unergründlich ist sie, melancholisch, magisch.
Lissabon, beschaulich-unaufgeregte portugiesische Hauptstadt zwischen Nostalgie und Moderne. Keine Metropole wie London, Paris, Berlin. Doch mindestens ebenso spannend für Gäste, die sich durch das Gewirr der kleinen Gassen drängen. Die die drückende Hitze an einem Sommertag auf dem Pflaster der Plätze aushalten. Und die Abkühlung im Schatten historischer Gebäude suchen. Die größte Stadt des Landes zählt gerade einmal gut 550000 Einwohner – so viele wie Bremen. Der Großraum drumherum, zusammengefasst zur Metropolregion, reicht von Setubal auf der gegenüberliegenden Tejo-Seite im Süden bis Sintra und Cascais im Westen. Gut 3 Millionen Menschen leben hier. Wer sich der Stadt per Flugzeug nähert, der populärste Anreiseweg für Besucher aus Europa und Übersee, bekommt schon aus der Luft einen ersten Eindruck. Der Flughafen liegt nicht weit weg vom Zentrum.
Beim Landeanflug sind die Hügel, das Straßennetz und die großen Plätze gut zu erkennen. Drei Stunden dauert der Flug von Deutschland aus. Wie beschwerlich muss die Reise doch im 15. Jahrhundert gewesen sein, als Entdecker der Seefahrernation Portugal mit dem Schiff zu ihren Touren aufbrachen. Spuren dieser Zeit finden sich an vielen Stellen in der Stadt, die dennoch stets nach vorn schaut: Mit modernen Gebäuden und einer gut ausgebauten Infrastruktur. Die, auch wenn sie einmal ausfällt, den Lissabonern keine große Hektik verursacht. Als die Metro wegen eines Streiks kürzlich für 24 Stunden alle Züge stehen ließ, freuten sich die Taxifahrer über zusätzliche Fahrgäste. Bekräftigen aber gleichzeitig ihr Verständnis für die Aktion, mit der auf Hinhaltetaktik und leere Versprechen in Sachen Lohn aufmerksam gemacht werden sollte. Wie sonst solle man sich Gehör verschaffen? Dennoch: Das Leben geht weiter in Lissabon – von Wirtschaftskrise, Jugendarbeitslosigkeit und Sorgen bekommen Besucher allenfalls beim Gespräch mit Einheimischen im Kneipenviertel Bairro Alto etwas mit. Dorthin zieht es die jungen Besucher, die zuvor auf dem Castelo de São Jorge die Abendsonne beobachtet hatten. Immer auf der Suche nach der Seele der Stadt.