„Beim Thema Nachhaltigkeit kann keiner mehr den Kopf entspannt in den Sand stecken“, sagt Andrea Grudda, Trendforscherin aus Düsseldorf (www.andreagrudda.de). SPA inside sprach mit ihr.
SPA inside: Frau Grudda, warum erfährt das Thema Nachhaltigkeit Ihrer Meinung nach seit einiger Zeit eine so große Nachfrage?
Andrea Grudda: Wir und die Generation nach uns haben eine realistische Lebenserwartung von 100 Jahren. Mit dieser Aussicht gehen junge Menschen ganz anders mit dem Planeten und seinen Ressourcen um. Anders als in den 1970ern, als es schon mal diesen Trend gab, haben sich die Gesellschaft und die Einstellung, wie ein Leben aussehen sollte, aber verändert. Früher war man mit 21 geschäftsfähig, hat 40 Jahre geschuftet um ein Haus zu bauen und dann mit 63 zu sagen, dass man alt und das Leben ja jetzt vorbei ist. Heute trifft man mit drei Jahren die ersten Entscheidungen und das geht dann 97 Jahre so weiter … Das sorgt für einen generellen Wandel in unserer Gesellschaft und für ein Umdenken. Es ist allen klar, dass nur Handeln und nachhaltige Strategien weiterhin für Komfort, glückliches Leben und Freiheit sorgen.
Kann man also von einer neuen Lebensphilosophie reden?
Es ist ein neues Bewusstsein. Unsere Gesellschaft ist in so vielen Dingen hoch informiert, dass man den Kopf nicht entspannt in den Sand stecken kann. So ist zum Beispiel der Anteil der Vegetarier und Veganer umso höher, je jünger die Menschen sind und je höher der Bildungsgrad ist. Und für viele ist es eine politische Entscheidung – nicht nur eine emotionale. Deshalb ist es mehr als ein kurzer Trend, sondern eine generelle neue Einstellung zur Umwelt, zu den Mitmenschen und zum Planeten.
Denken Sie, dass das Thema Nachhaltigkeit nur dann gefragt ist, wenn es nicht die eigene Komfortzone beeinträchtigt? Müsste man dann auf ein Auto verzichten, nur Bio kaufen, nicht fliegen oder ist so eine radikale Einstellung nicht mehr zeitgemäß?
Es wäre doch eine Katastrophe, wenn nur „100 % und radikal“ das einzig Wahre wäre. Ich glaube auch, dass die meisten Menschen nicht so denken. Wir müssen uns wirklich vom Entweder-oder verabschieden. Bio-Lebensmittel zu kaufen ist so viel einfacher geworden, weil der Bedarf einfach da ist. So ist es doch in allen Bereichen. Es gibt eine sehr große Nachfrage nach natürlichen Produkten, die fair und nachhaltig sind. Deshalb muss ich mein Auto nicht gleich weggeben. Aber es ist eine Tatsache, dass immer mehr Menschen „sharen“. Etwas, das die Generation unserer Eltern gar nicht kennt und irritiert. Die Vorstellung, dass ein Fremder kommt und sich die eigene Bohrmaschine ausleiht, finden sie absurd. Für eine jüngere Generation ist das nur logisch, konsequent und cool. Die Unternehmen, die das verstehen, gewinnen immer mehr am Markt. Aber diese radikalen „grünen“ Lebensentwürfe sind hoch inspirierend und zeigen neue Möglichkeiten auf.