Das eigentliche Geheimnis des Geschmacks liegt nicht auf der Zunge, sondern in den Tiefen unserer Nase. Nur sie kann die komplexen Aromen einer Speise wahrnehmen. Der Gaumen ist dabei nur Hilfsorgan.
Haben Sie schon mal etwas von Osmologie gehört? Nein? So nennt man die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Geruchssinn und den Aromastoffen. Was das mit Kochen und Genießen zu tun hat? Mehr als uns im ersten Moment vielleicht bewusst ist. Denn wenn wir von Geschmack sprechen, meinen wir streng genommen nur die fünf Basisnuancen: Süß, sauer, bitter, salzig und umami (diese neue Geschmacksrichtung umschreibt den Geschmack von Glutamat). Mehr können die über unsere gesamte Zunge und den Gaumen verteilten Sinneszellen nämlich nicht wahrnehmen. Im Laufe des Lebens nimmt deren Zahl und Empfindlichkeit außerdem kontinuierlich ab, weshalb Menschen mit zunehmendem Alter eine Vorliebe für immer intensivere Sinnesreize entwickeln. Schärfe wird dagegen über Wärme- und Schmerzsensoren registriert und daher nicht zu den Geschmacksrichtungen im engeren Sinn gezählt. Müssten wir uns beim Genießen also auf diese Grundreize beschränken, würde in unseren Küchen schnöde Langeweile herrschen bzw. es wäre ziemlich egal, was wir essen. Alles schmeckte mehr oder weniger gleich. Jeder, der schon einmal eine Erkältung hatte und mit verstopfter Nase sein Lieblingsgericht verspeist hat, weiß: Ist unser Riechorgan dicht, verlieren selbst die verlockendsten Leckereien schlagartig ihren Reiz. Das kann auch nützlich sein, denn umgekehrt hilft das Zuhalten der Nase beim Schlucken bitterer Medizin, indem es unsere Wahrnehmungsschwelle deutlich herabsetzt. Das Geheimnis des Geschmacks liegt also nicht auf der Zunge, sondern in den Tiefen unserer Nase, denn nur sie kann die komplexen Aromen einer Speise wahrnehmen, der Gaumen ist nur Hilfsorgan.
Kennen Sie Flavour?
Im Englischen lässt sich die Gesamtheit aus Geschmack, Aroma, und Mundgefühl übrigens in nur einem Wort beschreiben: Flavour. Eine deutsche Entsprechung gibt es leider nicht. Wenn wir umgangssprachlich von Geschmack sprechen, meinen wir in Wahrheit also meist den Flavour eines Getränks oder Lebensmittels. Gerade zweimal fünf Quadratzentimenter groß ist das Areal in der oberen Nasenhöhle, wo rund 400 verschiedene Rezeptortypen dafür sorgen, dass wir mehrere tausend unterschiedliche Aromen unterscheiden können. Das ist bei näherer Betrachtung eine erstaunliche Leistung, denn die meisten Aromen bestehen ihrerseits aus mehreren hundert oder gar tausend Einzelkomponenten, die unser Hirn zu einem Gesamtaroma zusammenblendet, wie ein Parfümeur einzelne Essenzen zu einem vollendeten Duft.
Von blumig bis erdig
Um diese Vielzahl unterschiedlicher Sinneseindrücke zu kategorisieren, unterscheiden Fachleute zwischen acht Grundaromen: blumig, grün, holzig, harzig, fruchtig, würzig, erdig und animalisch. Fast alle natürlichen und synthetischen Aromen lassen sich mehr oder weniger eindeutig einer dieser Nuancen zuordnen – auch wenn die individuelle Einschätzung sich im Einzelfall unterscheiden mag. In der Küche haben wir es vor allem mit würzigen (z. B. Anis, Zimt, Nelken, Muskat), grünen (wie Gurke, grüne Paprika und grüne Bananen), fruchtigen (wie Beeren, Apfel und Zitrusfrüchte) und blumigen Aromen (wie Veilchen, Rose, Tahitivanille und Orangenblüte) zu tun. In machen Länderküchen werden aber auch Vertreter exotischerer Aromengruppen verwendet: Kiefernharz zum Beispiel für die Herstellung des griechischen Weißweins Retsina oder Sandelholz für mache Gerichte der indischen Küche.
Düfte wecken Erinnerungen
Von unseren Riechnerven gibt es übrigens eine direkte Verbindung zum Hippocampus genannten Hirnareal, das für das Speichern von Erinnerungen zuständig ist. Das ist auch der Grund, warum wir mit Düften und Aromen so oft Erinnerungen verbinden – gute wie schlechte. Eine weitere Nervenautobahn führt von der Nase über den so genannten olfaktorischen Cortex, also unser Riechhirn, direkt in die Amygdala, das mandelförmige Zentrum des limbischen System. Das ist der Teil unseres Gehirns, in dem Emotionen entstehen und verarbeitet werden. Hier werden Situationen bewertet, entstehen Lust und Freude, aber auch Angst. Diese Verbindung aus Hippocampus und Amygdala, also von Erinnerungsvermögen und Gefühl, ist auch der Grund, warum die Wahrnehmung bestimmter Aromen uns so tief bewegen kann – und das gilt für ein Parfum genauso, wie für den verführerischen Duft eines Gerichts. In Marcels Prousts weltberühmtem Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ ist es beispielsweise der Duft einer Tasse Lindenblütentee und frisch gebackener Madeleines, der den Protagonisten innerhalb von Sekunden in seine Kindheit zurück versetzt und ihm ein wohliges Gefühl von Geborgenheit verleiht, wie er es einst als Kind empfunden hatte. Dabei gilt: Entweder wir finden einen Duft spontan gut, oder wir lehnen ihn genauso impulsiv ab. Unsere hohe emotionale Sensibilität gegenüber Aromen ist aber auch ein wichtiger Grund dafür, dass wir exotische Küchen, die sehr viel mit geruchsintensiven Zutaten oder Gewürzen arbeiten, oft besonders reizvoll finden – oder eben ablehnen. Je nachdem, welche Erfahrungen mit bestimmten Geruchseindrücken in unserem Gehirn verschaltet sind. Ob wir Neues und Ungewöhnliches eher als spannend oder bedrohlich empfinden.
Gespeicherte Erfahrungen
Während dem einen also schon beim Gedanken an ein indisches Curry, dem der intensive Duft von Curcuma, Kreuzkümmel, Ingwer und Cumin entströmt, das Wasser im Munde zusammenläuft, oder eine thailändische Nudelsuppe mit ihrem intensiven Koriander- und Zitronengrasduft wohliges Herzklopfen verursacht, sträuben sich dem anderen dabei die Haare. So erinnert manche der Duft des grünen Korianders z. B. unangenehm an Seife. Das europäische Pendant zur exotischen Gewürzküche ist der Einsatz von aromenintensiven Kräutern wie Basilikum, Majoran, Rosmarin und Co. Ähnlich wie bei ihren Vettern aus Asien sind es auch hier vor allem ätherische Öle, die für das intensive Aroma sorgen. Aber auch in der Molekularküche hat man versucht, durch den Einsatz isolierter bzw. potenzierter Aromen einen zusätzlichen Gaumen- bzw. Nasenkitzel zu erzeugen.
Erdbeere trifft Taschenkrebs
Vor allem hat man die Aromen ganz unterschiedlicher Produkte aber erstmals systematisch analysiert und regelrechte Aromenlandkarten entwickelt – dabei kam heraus, dass manche Produkte im Hinblick auf ihr Aromenprofil deutlich enger verwandt sind, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Oder hätten Sie gedacht, dass Erdbeeren und Taschenkrebs so etwas wie Cousins sind – zumindest was ihr Aromenprofil angeht? Das eröffnet für kreative Köche ungeahnte neue Möglichkeiten, lassen sich auf dieser Grundlage doch völlig neue Foodpairings entwickeln. Wer selber einmal etwas Ungewöhnliches ausprobieren möchte: Auf der Webseite www.foodpairing.com lassen sich mit wenigen Mausklicks die exotischsten Kombinationen erstellen. Oder man wählt einfach ein Rezept aus dem bereits recht stattlichen Online-Fundus aus. Wie wäre es z. B. mit Mousse au Chocolat kombiniert mit knuspriger Hühnerhaut? Klingt eklig? Schmeckt aber grandios!
Kühne Kombinationen
Der Grund warum wir die Kombination bestimmter Aromen ablehnen, hat nämlich nur in den seltensten Fällen etwas damit zu tun, dass diese tatsächlich nicht harmonieren, sondern wir sind schlicht kulturell konditioniert, was zusammengehört und was nicht. Da der Computer solche kulturellen Tabus nicht kennt, spuckt er alleine anhand des Molekularprofils munter Kombinationen aus, die wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht haben vorstellen können. Wer sich darauf einlässt, dem öffnet sich ein ganzes Universum neuer Geschmackserlebnisse. Für ein perfektes Genusserlebnis spielen aber nicht nur Geschmack und Aroma eine zentrale Rolle, auch das oben schon kurz erwähnte Mundgefühl ist entscheidend daran beteiligt – gerade die Kombination verschiedener Texturen in einem Gericht, also z. B. eines sämigen Pürees mit knackig rohen Gemüsewürfelchen und knusprig- krossen Elementen, versetzt unsere Geschmacksknospen in höchste Verzückung. Schließlich spielen auch die Optik und die Farbe eine entscheidende Rolle. Färben Sie mal nur zum Spaß ihre Tomatensauce zu den Spaghetti mit blauer Lebensmittelfarbe ein und schauen Sie was passiert. (Text: Dr. Thomas Hauer)
Aromen bewahren
Abgesehen vom Eigengeschmack bestimmter Speisen verleihen heimische Kräuter und exotische Gewürze aus Asien und Südamerika Gerichten ihren besonderen Pfiff. Nachfolgend ein paar Praxistipps, wie Sie das volle Aroma dieser wertvollen Zutaten am besten bewahren.
Ganze Gewürze Muskatnüsse, Wacholderbeeren, Nelken, Pfefferkörner und Co. sind im Ganzen deutlich länger haltbar als ihre bereits vermahlenen Pendants, denn sie verfügen quasi über einen eingebauten Aromaschutz. Ihre meist sehr harte und widerstandsfähige äußere Hülle oder Schale kapselt die ätherischen Öle, Hauptaromenträger vieler exotischer Gewürze, hermetisch ein. Deshalb sollten Gewürze immer erst kurz vor ihrer Verwendung gemahlen oder gemörsert werden. Das kurze Erhitzen zerstoßener Gewürze in ein wenig Öl oder Fett erhöht die Würzkraft zusätzlich.
Küchenkräuter Küchenkräuter schmecken frisch am besten. Das Trockenen und Lagern entzieht ihnen anders als Gewürzen aus Samenkapseln und Beeren nämlich einen Großteil des Aromas. Zahlreiche Kräuter lassen sich auch gut tiefkühlen – das ist der getrockneten Variante in jedem Fall vorzuziehen. Länger als 12 Monate sollte man aber auch tiefgekühlte Kräuter nicht verwenden. Während manche Kräuter ihr Aroma besonders gut abgeben, wenn Sie mitgekocht werden – z. B. Rosmarin oder Majoran, sollten andere erst am Ende hinzugefügt werden, etwa Basilikum, dessen Aroma besonders flüchtig ist.
Gemahlene Gewürze und Kräuter In einer ungeöffneten, aromaversiegelten Originalverpackung sind auch vermahlene Gewürze und Kräuter bis zu drei Jahre lang haltbar. Sind die Dosen aber erst einmal geöffnet, sollte ihr Inhalt innerhalb von 6 Monaten aufgebraucht werden. Während manche Gewürze – wie z. B. Zimt, auch in gemahlenen Zustand lange ein intensives Aroma bewahren, sollten andere, wie Pfeffer, lieber frisch vermahlen werden.
Optimale Lagerung Alle Kräuter und Gewürze sollten stets gut verschlossen, trocken, kühl und dunkel aufbewahrt werden, denn Licht, Wärme und Feuchtigkeit schaden dem Aroma, der Farbe und der Würzkraft. Außerdem haben sonst Mikroorganismen leichtes Spiel, denn auch Gewürze und Kräuter können verderben. Davon abgesehen gilt: Niemals mehrere Gewürze im selben Behältnis aufbewahren, da sie nicht nur Duft- und Aromastoffe an ihre Umwelt abgeben, sondern diese auch leicht annehmen können – vor allem, wenn sie bereits vermahlen sind.