Wo Wellness drauf steht, ist – leider – nicht selten Unfug drin: Selbst Socken, Hundefutter oder gar Autowaschanlagen werben mit dem Schlagwort. Dabei ist Wellness etwas ganz anderes. Es steht für ein ganzheitliches Gesundheitskonzept, das sich rund um den Globus entwickelt und behauptet hat. Und ganz nebenbei ist ein beachtlicher Wirtschaftszweig entstanden, größer sogar als die Automobilindustrie. Grund genug, die aktuellen Wellness-Trends unter die Lupe zu nehmen.
Iss dich gesund
Vorgestellt wurden diese Trends auf der weltweit größten Expertentagung zum Thema – dem Global Wellness Summit (GWS). Im vergangenen Herbst lockte dieser jährlich stattfindende Gipfel in die italienische Emilia-Romagna. Und weil Italien nicht zuletzt als Inbegriff mediterraner Küche gilt, war es kein Wunder, dass auf dem GWS viel von gesunder Ernährung die Rede war. Dazu braucht es gar nicht viel: volles Korn, frisches Obst und Gemüse, Fisch und mageres Fleisch. Vitamin- Tabletten und sonstige Nahrungsergänzungsmittel sind ebenso überflüssig wie eine Paläo-Diät. Das alte Sprichwort „Du bist, was Du isst!“ hat immer noch Gültigkeit. Wer konsequent sein will, verzichtet auf Wurst, Fertiggerichte und Fast Food. Die guten alten „Weight Watchers“ gibt es übrigens immer noch. Sie haben sich in WW umbenannt – weg vom Abspecken hin zum Coaching für eine nachhaltige Umstellung auf gesunde Ernährung.
Wellness-Küche hat einen doppelten Sinn. Esstisch und Herd sind Mittelpunkt der Familie, sozialer Treffpunkt für Freunde, zum gemeinsamen Kochen oder auch nur zum Genießen. Was für viele Hausfrauen hierzulande selbstverständlich ist – regionale Produkte auf einem Wochenmarkt einzukaufen – das gilt in den USA oder Großbritannien plötzlich als hipp. So entwickelt sich das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil, der auch spätere Generationen positiv zu beeinflussen vermag. Dafür braucht es weniger Technik, aber wohl Kühlschränke mit genügend Platz für Obst und Gemüse statt mit riesigen Eisfächern. Alles in allem ein Baustein für den Trend „Wellness at home“, dem sich in England gar ein gleichnamiges Magazin widmet.
Ganz in Mode
Was wären Frauen ohne die Glücksmomente der Mode – noch dazu in Italien? Wellness als Lebensstil hat auch dort Einzug gehalten. Dies bestätigte Star-Designerin Alberta Ferretti. Mode darf aus ihrer Sicht nicht mehr in ein Korsett einzwängen. Die Frau von heute bewegt sich, und tägliche Aktivitäten und Sport sind für sie ebenso selbstverständlich wie funktionale Kleidung. Deshalb war es nur logischer Schlusspunkt des Global Wellness Summit, dass bei der „Wellness meets Fashion“-Show die erste italienische Wellness-Mode-Kollektion vorgestellt wurde. Und das im Grand
Hotel Rimini, in dem Regisseur Paolo Visconti einst seinen legendären Film „La Dolce Vita“ drehte.
Keine Modeerscheinung, sondern eine wirkliche Herausforderung ist „Wellness Extreme“. Das Abenteuer klopft selten an die Tür – wer fündig werden will, muss suchen und etwas wagen. Extreme Sportarten fordern nicht nur den Körper, sie fordern auch die Psyche heraus, denn es gilt Grenzen auszutesten. Erfolg hat nur, wer beide Elemente im Griff hat – beim Triathlon zum Beispiel.
Der Fokus auf mentale Wellness passt perfekt in die ganzheitliche Entwicklung: Traditionelle Übungen wie Meditation und Yoga werden heute durch umfangreiche Studien wissenschaftlich bestätigt. Sie machen deutlich, dass sich das Gehirn durch Aktivitäten auch in fortgeschrittenem Alter stets weiter entwickeln kann. Positive Effekte auf Parkinson und Alzheimer zeigt vor allem das Tanzen. Wellnessreisen liegen nicht nur im Trend, sie haben weltweit auch deutlich zugelegt: Der Umsatz wuchs erneut und lag 2017 bei mehr als 600 Milliarden US-Dollar. Statt Kuschelwochenenden sind Wellnessreisen mit Tiefgang gefragt: von Digital Detox im alten Kloster in Umbrien bis zu neuen Destination-Spas, auf einen Ort zugeschnittene Spas also, wie Six Senses sie in Bhutan anbietet. Die Suche nach Glücksmomenten als Kontrast zu ständiger Erreichbarkeit und Informationsfluten zieht Gäste nicht nur nach Asien, sondern auch an Orte weitab vom Schuss im eigenen Land – wo der Urlauber keinen Laut hört, außer den Geräuschen der Natur.
Hildegard Dorn-Petersen