Eigentlich hat er ja gar keine Zeit. Mit seinem offenen E-Mobil kommt Imran Md die sandige Straße entlanggesaust – die schmale Ladefläche des Transporters ist voller Kokosnüsse. „Ich muss ganz auf die andere Seite des Hotels, dort warten sie schon auf Nachschub“, sagt er. Tritt aufs Strompedal, ist fast schon auf und davon. Und hält dann doch noch mal kurz: um eine frische Kokosnuss aufzubohren, einen Trinkhalm hineinzustecken und sie zu überreichen. „Enjoy“, sagt er freundlich und strahlt. Dann ist aber endgültig weg. Imran, geboren in Bangladesch, lebt und arbeitet seit vier Jahren auf Niyama. Und ist mittlerweile so etwas wie der heimliche Star des noblen Urlaubsresorts – mit eigener Instagram-Seite, tausenden Anhängern bei Facebook. Und gleichzeitig wohl einer der meist fotografierten Angestellten der Insel. Denn Imran ist der Herr der Kokosnüsse. Der 28-Jährige kümmert sich um all die Kokospalmen, die auf Niyama wachsen – schlappe 2500 Stück. Ihre Pflege ist ein Ganztagesjob, und das nicht nur aus Sicherheitsgründen.
Obacht bei Sturm
Dass die großen Früchte nämlich gar nicht ungefährlich sind, ist spätestens bei einem Tropensturm deutlich zu merken – wenn es immer wieder lautstark und deutlich auf dem Dach der Villa einschlägt. Aber: So was passiert eben. Dass niemandem eine Nuss auf den Kopf fällt, darum kümmert sich Imran und erntet die reifen Früchte rechtzeitig ab. Das 5-Sterne-Hotel, sein Arbeitgeber, ist froh über den engagierten Helfer. Denn Imran kennt das Resort wie seine Westentasche. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die Anlage recht überschaubar ist – zumindest was die Fläche betrifft. Und doch: Niyama ist zwar schmal, aber dafür so langgestreckt, dass der Weg von einer zur anderen Seite am schnellsten mit einem der kleinen Shuttles zurückgelegt wird. Immerhin rund 1,7 Kilometer misst der weiteste Abstand – für eine Malediveninsel fast schon viel. Alternativ wartet vor den Villen ein Fahrrad, praktischerweise beschriftet mit dem Vorname des jeweiligen Bewohners. Verwechslung beim Parkstopp zum Essen oder im Spa ist somit ausgeschlossen. Und mit dem Rad schrumpft das Resort gleich noch ein bisschen mehr. Dabei besteht Niyama nicht nur aus einer, sondern aus zwei Schwester-Inseln. Sie sind durch einen kleinen Streifen Wasser getrennt und wiederum verbunden mit einer Brücke. Jede Insel hat ihr eigenes Motto – und das ist sogar auf den Badeschuhen aufgedruckt, die in den Zimmern und Villen ausliegen. „Play“ steht auf dem einen, „Chill“ auf dem anderen. Selbstverständlich dürfen beide gleichzeitig getragen werden.
Morgendliche Frage also: Auf welche der Inseln soll der Weg führen? Auf „Play“ geht es sportlich zu. Dort liegen Kajaks für eine Fahrt rund um die Insel, dort ist die Surfschule und es kann geschnorchelt und getaucht werden. Ruhig und entspannt dagegen ist es auf „Chill“ mit dem schicken Drift Spa und einem Platz unter Sternen für Kinoabenteuer am Strand. Nobel das Restaurant Edge, in dem frische Fischgerichte serviert werden – es liegt einen halben Kilometer vor der Insel im Wasser. Direkt nebenan, ebenfalls nur per Boot zu erreichen, wartet das Subsix. Ist es ein Restaurant – oder doch ein Tiefseeaquarium? Beides. Sechs Meter unter der Meeresoberfläche, erreichbar über eine Treppe, wird feinste Küche serviert – während vor den riesigen Glasscheiben Betrieb herrscht. Farbenfrohe Fische tummeln sich da und es scheint, als würden sie auf den Teller schauen. Na, besser nicht. Ein Erlebnis aber allemal.
Imran findet später am Tag dann doch noch Zeit für ein kurzes Interview – auf „Play“ im Restaurant Nest. Das sieht so aus wie es heißt, besteht aus hölzernen Plattformen, die in den Bäumen schweben. Seinen Job möchte er nicht mehr tauschen, erzählt er. Bis zu 150 Nüsse erntet Imran pro Tag, klettert dafür behend in die Palmenwipfel. Ein Teil der Ernte geht frisch an die Gäste, ein Teil landet in den Restaurants, der dritte Teil im Spa für das Öl bei Massagen. Kurzes Foto, dann muss der Herr der Nüsse weiter – die Küche wartet dringend auf Zutaten fürs Dessert.
NIYAMA
Das 5-Sterne-Resort liegt auf zwei Inseln im Dhaalu-Atoll. Luftlinie bis Malé sind es 180 Kilometer. Die roten Wasserflugzeuge bringen Urlauber in gut 40 Minuten bis Niyama. Ein Regionalflughafen befindet sich im selben Atoll.