Ich war gewarnt worden: Afrika trifft dich innerhalb von Sekunden mitten ins Herz! Tatsächlich grenzt das Erste, das wir sehen als wir aus dem kleinen Buschflugzeug die dünne Treppe hinunter wanken, an das schier Unfassbare. Nicht nur unsere Augen sind überwältigt von der imposanten, mit grünbraunem Gras übersäten Weite, die in das Licht der untergehenden Sonne getaucht wird. Darin bewegen sich auch noch rund zehn Löwen in einer Geschwindigkeit, die einem Ferrari Konkurrenz machen würde. Wir sind die stillen Beobachter und von Anfang an ist klar: Die Hauptrolle spielt in Botswana nicht der Mensch.

Unterwegs in der Steppe

Mit einer Fläche von etwa 580 000 Quadratkilometer– rund anderthalbmal so viel wie Deutschland – und gerade mal rund zwei Millionen Einwohnern zählt Botswana zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Erde. Doch: Für Tiere gilt das nicht. Das liegt vor allem daran, dass der Staat nach Erreichen der Unabhängigkeit von den Briten im Jahr 1966 erkannt hat, wie wichtig Naturschutz und ein funktionierendes Ökosystem sind. Rund 40 Prozent der Landesfläche stehen seither unter Schutz. Dazu zählt auch ein generelles Jagdverbot. Seit 1994 ist die Jagd nur noch mit dem Fotoapparat erlaubt. Was den Tieren zugute kommt, hat allerdings auch eine Kehrseite. Schließlich gibt es in Botswana bis heute zahlreiche Naturvölker, deren Lebensgrundlage die Tierwelt ist. Gerade in einer kargen Landschaft wie der Kalahari-Wüste, die 80 Prozent der Landesfläche von Botswana durchzieht.

Das alles lernen wir, als wir einen sogenannten „Bushwalk“ mit den San durch die Steppe machen. Felsmalereien belegen, dass diese nomadischen Buschmänner schon rund 100 000 Jahre in Botswana leben. Ihre Erfahrung beruhigt Besucher ein wenig, wenn der Spaziergang genau dort entlang führt, wo sich am Tag zuvor noch wilde Löwen gehetzt hatten. Glücklicherweise hat der Stammesführer eine besondere „Waffe“ dabei – einen großen Stab: „Löwen fürchten ihn und suchen das Weite, wenn sie uns hören oder sehen. Wir sind für sie auch keine typische Beute“, erklärt der Dolmetscher die wilden Schnalzgeräusche, Ausrufe und Handzeichen der Buschmänner. In ihrer Sprache ist es üblich, dass alle durcheinander gestikulieren – wer was sagt, ist für Außenstehende kaum nachzuvollziehen. Die Sprache der San ist eine der wenigen Natursprachen, die sich bis heute erhalten hat.

Tarnung ist alles

Doch mit eben diesen Lauten erklären sie uns, wie gejagt wird und Fallen gestellt werden. Da müssen Löcher gebuddelt, Seile gespannt und Pfeilspitzen mit Pflanzengift beschmiert werden. Um die Tiere nicht scheu zu machen, tarnen sich die San mit Fell und Springbockhörnern. Ist die Jagd erfolgreich, gibt es ein Ritual: Die San bedanken sich bei dem Tier, dass es sich geopfert hat. Ein paar Stunden später lodert es über dem Feuer – die Flammen müssen mühsam vom Stammesführer entfacht werden. Zusammen mit dicken Käfern und ein paar Tropfen Wasser, das die San aus Wurzeln pressen, wird die Beute verspeist.

Auch wir genießen am Abend unser Dinner, allerdings eher europäischer Art: im samtigen Bett auf dem Dach unterm Sternenzelt. Nach all diesen Eindrücken sind wir erschöpft, schließlich haben wir nach unserem Bushwalk noch einmal Löwen gesehen. Dass zwei alte Männchen ein jüngeres verfolgen, erklärt Guide Lasti so: „Die zwei großen Männchen sind neu im Territorium. Um an die Damen heranzukommen, vertreiben sie die jungen Männchen aus dem Stamm.“ Was sich grausam anhört, ist im Grunde eine geniale Erfindung der Natur, um die Gene zu mischen. „Eigentlich haben diese Jungtiere noch Glück, schließlich sind sie nicht mehr klein. Wären sie noch Säuglinge, hätten die neuen Eindringlinge sie längst getötet, um eine neue Generation zu gründen.“ Auf unsere entsetzten Blicke antwortet Lasti nur: „That’s life in the Bush.“ So hart ist es eben, das Leben hier draußen. Zum Glück blüht dieses Schicksal nicht unserer Löwenfamilie. Bei der Safari am nächsten Tag sehen wir alle wieder glücklich vereint. Sie sind schon wieder in Jagdlaune, bekommen bei ihrer Hatz nach Oryx-Antilopen, Springböcken und Straußen aber Konkurrenz von zwei Geparden. Der Kampf ums Überleben ist hier täglicher Begleiter. Uns ist bei diesem Anblick ein Rätsel, warum die Wüste als eher tierarme Region gilt. Umso gespannter sind wir auf die nächsten Stationen unserer Reise.

Anna Bader