Als dieses Interview geplant wurde, ahnte niemand, dass ein Virus die Welt bedroht und das gesamte Business lahmlegt. Udo Heuser, geschäftsführender Gesellschafter der Nobilis Group, ist zuversichtlich. „In der Krise gibt es immer Unternehmen, die den Wandel für sich nutzen. Das werden wir tun.“

INTERVIEW MIT UDO HEUSER, NOBILIS GROUP

Herr Heuser, wie geht es Ihnen, Ihrer Familie und den Mitarbeitern?
Udo Heuser: Danke, es geht uns gut. Für mich ist Krise kein Fremdwort. Es kommt immer darauf an, wie man damit umgeht. In der Krise muss man mehr denn je die Ruhe bewahren. Sonst ist man im Alltagsgeschäft eher hektisch unterwegs, doch jetzt ist eine Zeit, in der man sehr ruhig und sehr klar und bedacht Entscheidungen trifft. Gesundheitlich geht es uns sehr gut. Die familiäre Situation mit drei Kindern unter zehn Jahren ist eine besondere Herausforderung (lacht). Alles in allem geht es uns hier in Deutschland bestimmt sehr viel besser als in anderen Ländern, wo die sozialen Probleme viel größer sind und es kein Netz und doppelten Boden der Regierung gibt. Ich glaube, wir können trotz allem mit sehr viel Dankbarkeit zurück- und mit sehr viel Zuversicht nach vorne schauen.

Nachdem bekannt wurde, dass Sie zusammen mit Dr. Henseler die Gesellschaftsanteile der Nobilis-Gründer übernommen haben, wurden einige Weichen neu gestellt. Was konnte erreicht werden, vor Corona?
Udo Heuser: Wir sind mit Nobilis in einer besonderen Situation gewesen. Wir haben das Unternehmen im Oktober im Rahmen des Management Buy Out gekauft, waren auf Wachstumsmodus und mit voller Energie unterwegs. Wir sind im Januar und Februar sehr positiv gestartet und haben das Jahr 2019 gut abgeschlossen. Dass wir in den ersten beiden Monaten des Jahres 2020 mit guten zweistelligen Wachstumsraten unterwegs waren, hat uns bis Ende März geholfen. Wir haben sehr früh und sehr schnell reagiert, was uns auch ein sehr positves Feedback der Mitarbeiter eingebracht hat. Wir haben die Teams im Schnitt zweimal die Woche informiert, bevor die Schließung kam und bereits in der dritten Märzwoche mit unseren Mitarbeitern einen konkreten Plan fürs Homeoffice erarbeitet. Das Unternehmen wurde zum Glück schon im Herbst 2019 voll digitalisiert, heißt: alle Mitarbeiter arbeiten bei uns mit Laptops. Aus vielen Unternehmen weiß ich, dass das nicht überall der Fall ist. Das hat uns geholfen, das Thema Homeoffice deutlich schneller auszurollen.

Die Parfümerien waren wochenlang geschlossen. Reisen unmöglich. Was konnten und können Sie bewegen?
Udo Heuser: Der Außendienst ist seit 1. April in Kurzarbeit und während die ersten zehn Tage nach dem Shutdown immer noch Kunden angerufen haben, Lieferungen umgeleitet, Bestellungen gecancelt und Valuta-Anfragen an uns gerichtet wurden, ist es danach deutlich ruhiger geworden. Während der angeordneten Schließung hatten wir nur noch vereinzelt Kundenanfragen aus dem stationären Handel. Was sich nach wie vor positiv entwickelt, jetzt auch schneller als je zuvor, ist der Online-Handel. Wir haben aber auch gesehen, dass eine große Anzahl der Kunden Alternativ-Konzepte gestartet haben. So haben viele Parfümerien Home Delivery angeboten, haben ihre Stammkunden angeschrieben und neue Werbeimpulse beispielsweise übers Radio realisiert, wie die Parfümerie Vollmar in Bonn. Auch die Parfümerie Liebe in Hannover hat ohne eigenen Online-Shop kreative Ideen gefunden, ihre Kunden persönlich anzusprechen, Pakete zu packen und diese auszufahren. Ähnlich wie auch die Parfümerie Niendorf in Bühl. Dort wurden vom Inhaber persönlich über die sozialen Netzwerke Neuheiten vorgestellt und erklärt. Mit ihren proaktiven Vorgehensweisen haben sehr viele unserer Handelspartner neue Geschäftsmodelle entwickelt. Das hat auch bei uns zu einem Grundumsatz geführt. Natürlich ist der Umsatz stark zurückgegangen. Um in Zahlen zu sprechen: Die Nobilis Group hat im Monat April einen Umsatzrückgang von mehr als 50 %, doch wir konnten Dinge auffangen, indem wir neue Wege gegangen sind.

Geben Sie uns doch bitte ein Beispiel?
Udo Heuser: Mavive, einer unserer italienischen Lieferanten hat seine Produktion teilweise auf Desinfektionsmittel umgestellt. So konnten wir rund 1,5 Millionen Handdesinfektionsmittel erwerben und an unsere Handelspartner weiterverkaufen. Das ist ein Vorteil: Als Distributeur kann man schnell und flexibel Entscheidungen treffen und so ist es uns gelungen, gewisse Umsatzeinbrüche aufzufangen. Klar, es ist jeden Tag eine neue Herausforderung – wir wissen heute nicht, welcher Umsatz morgen kommt. Eine langfristige Planung ist nahezu unmöglich. Wir sehen jedoch bei allen Schwierigkeiten immer noch Positives. So konnten wir unsere Flexibilität in der Krise nochmals deutlich stärken.

Die Nobilis Group hat sich bislang auf das Business in Deutschland und Österreich konzentriert. Doch Sie sehen auch Potenzial, grenzüberschreitend erfolgreich zu agieren. Was ist geplant?
Udo Heuser: Die Nobilis Group ist als Distributeur seit vielen Jahren in Deutschland und Österreich erfolgreich unterwegs. Und wir werden in Zukunft auch in der Schweiz aktiv sein. Der Start war dieses Jahr geplant, doch er wurde nun auf 2021 verschoben.

Eine Stärke Ihres Unternehmens ist, dass viele Disziplinen sehr gut gespielt werden – von Marketing und Vertrieb über Training bis hin zur Logistik…
Udo Heuser: Richtig. Ich glaube, dass die Krise, die wir jetzt erleben, für uns auch ein große Chance ist. Wir sehen, dass manche Firmen durch die massiven Umsatzeinbrüche ihre Strukturen hinterfragen. Etliche Unternehmen fragen bei uns an, ob wir uns vorstellen könnten, die Distribution ihrer Marken zu übernehmen. In einer Krise gibt es auch immer Unternehmen, die im Wandel positive Möglichkeiten sehen. Und es gibt welche, die den Wandel für sich nutzen. Das werden wir tun. Wir werden auch proaktiv auf Unternehmen zugehen. Wir glauben, dass wir auf absehbare Zeit in DACH eine positive Entwicklung haben werden. Für das Jahr 2020 gehen wir von einem Umsatzrückgang von ca. 20 bis maximal 30 Prozent aus. Darauf stellen wir uns aktuell ein. Aber ich glaube, dass wir spätestens Ende 2021 diesen Rückgang aufgeholt haben werden.

Lassen Sie uns bitte die einzelnen Geschäftsbereiche anschauen. Wie schätzen Sie deren Entwicklungen ein?
Udo Heuser: Wir haben drei verschiedene Geschäftsbereiche, die wir ganz aktiv gestalten. Der Bereich Consumer Lifestyle beliefert Kunden in Drogerie- und Verbrauchermärkten. Im Bereich Prestige finden Sie Top Player wie Montblanc und Versace. Zum Bereich Luxury/ Top_Exclusive zählen wir Marken wie Creed, Etro oder Vilhelm Parfumerie. Ich glaube, der Bereich Consumer Lifestyle wird in diesen Zeiten eine ganz andere Dynamik erleben, weil die Drogeriemärkte deutlich in den Fokus gerückt sind. Aber auch der Bereich Prestige hat meines Erachtens eine gute Perspektive. Ich glaube fest daran, dass er sich bis Mitte nächsten Jahres erholen wird. Ihren Urlaub werden die meisten dieses Jahr wohl im eigenen Land verbringen. Das kann für die CO2-Bilanz hilfreich sein, hilft aber vielleicht auch den Geschäften, denn es ist damit zu rechnen, dass sich einige ganz bewusst etwas Schönes leisten. Wie sich der Bereich High End Luxury mit Düften über 200 Euro entwickeln wird, bleibt in diesem Jahr abzuwarten. Wir haben mit Creed eine sehr stark etablierte Marke, die sicher nicht einbrechen wird. Aber es wird in diesem Bereich Verwerfungen geben. Wir setzen auch hier auf eine langfristige Entwicklung. Alles in allem bin ich froh, dass wir in allen drei Bereichen erfolgreich unterwegs sind. Für Duft wird es immer eine breite Akzeptanz geben.

Viele Lancierungen stehen auf dem Prüfstand. Wie ist Ihr aktueller Stand?
Udo Heuser: Es wäre das falsche Signal, den Handel jetzt mit einer Flut an Neulancierungen zu konfrontieren. Unsere Handelspartner haben unter der Krise mindestens genauso zu leiden, teilweise noch mehr als die Lieferanten und Distributeure. Von daher werden wir uns in diesem Jahr auf die wesentlichen Neuheiten fokussieren. Wir werden nach jetziger Planung aktuell mit Montblanc einen neuen Damenduft und im 4. Quartal einen neuen Versace Damenduft lancieren. An diesen beiden großen Themen halten wir derzeit fest. Kleinere Lancierungen werden geschoben. Bei Marken wie Creed stehen Überlegungen an, statt neuer Düfte verstärkt Home Accessoires, also Home Interior Produkte wie Duftkerzen und Raum-Diffusoren einzuführen. Ich glaube, dass die Menschen eher fokussiert sind, es zuhause schön zu haben, da Reisen und Hotelbesuche auf absehbare Zeit nicht so möglich sein werden, wie wir das bislang kannten.

Auch an Trainings und Events, so wie bisher praktiziert, ist nicht zu denken. Gibt es bereits Alternativ-Konzepte?
Udo Heuser: Digitalisierung hat eine völlig neue Dimension eingenommen. Bis vor meinem Eintritt im April 2019 war auch bei uns nur ein Teil der Mitarbeiter mit Laptops ausgestattet. Wir arbeiten daran, dass wir auch mit unseren Kunden künftig mit Online-Tools eine neue Art der Kommunikation führen können. Es gibt mittlerweile Microsoft-Anwendungen, die es uns ermöglichen, mit mehreren Personen zu sprechen, sie zu sehen und auch gemeinsam Präsentationen anzuschauen. Die Industrie ist gefordert, sich über neue Möglichkeiten und Tools Gedanken zu machen, denn Schulungen und Trainings müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen, sich sicher ein Stück weit verändern und neu erfinden. Wir arbeiten schon länger an einem neuen Konzept. Ich kann noch nicht viel verraten, doch wir sind dabei, einen Weg zu finden, wie wir mit unseren Kunden eine neue Art des Trainings erleben können.

Interview: Susanne Stoll

Foto: Dr. Joachim Henseler und Udo Heuser (v.l.) haben im Oktober 2019 per Management Buy Out die Gesellschaftsanteile von den Nobilis-Gründern Thomas C. Schnitzler und Detlef Rughöft übernommen. Seither wurden einige Weichen neu gestellt.