Wer Südtirol bereist, kann die Natur in ihrer ganzen Fülle erleben so zum Beispiel bei Wanderungen und in Hotels, die mit Thermalwasser punkten… An sogenannten Kraftorten sind ganz besondere Energien zu spüren. Machen Sie sich bereit für eine Sinneserfrischung.
Wenn der Job und der Alltag mich stressen und die Großstadt Hamburg mir zu viel wird, dann zieht es mich meist in die Natur. Dorthin, wo ich nichts hören, so wenig wie möglich sehen und einfach nur gute Luft einatmen kann. Die Sinne und das Nervensystem dürfen runterfahren, sich erneuern, auch mal zur Ruhe kommen und eine Pause machen. Dass in üdtirol die Natur traumhaft schön ist, ist ja keine Neuigkeit. Dass es in Südtirol jedoch ganz besondere Plätze gibt, an denen die Natur besonders kraftvoll ist, durfte auch ich erst kürzlich erfahren. An sogenannten Kraftorten können „leere Akkus“ wieder aufgeladen werden. Michael „Michl“ Trocker, Hotelier, Wanderführer und begeisterter Naturfotograf, lebt in Seis am Schlern. Er hat mir erklärt, was es mit diesen Stellen auf sich hat: „Kraftorte sind besondere Plätze in der Natur. Sie haben eine positive Ausstrahlung und Wirkung auf uns Menschen.“ Kraftorte können an Bächen, Felskanten, Wasserfällen, Wäldern oder besonderen astronomischen Beobachtungspunkten liegen. Entstanden sein könnten sie aufgrund von Energielinien, sogenannten Ley-Linien, die sich an diesen Stellen kreuzen. „Kraftorte können aber auch an Orten entstehen, an denen eine hohe Konzentration an negativ geladenen Ionen vorherrscht. Wie beispielsweise an einem Wasserfall.“ Diese Ionen wirken sich positiv auf unser Empfinden aus. Die Anzahl der geladenen Ionen beeinflusst wiederum den Organismus und die Gesundheit jedes Lebewesens. Eine hohe Anzahl positiv geladener Ionen führt dazu, dass man sich schlapp und unmotiviert fühlt. Bei einer hohen Anzahl negativ geladener Ionen ist es gerade umgekehrt: man fühlt sich belebt, frisch und voller Energie.
Wo einst die Hexen tanzten
Das klingt erstmal sehr theoretisch. Aber im Praxistest haben mich die Kraftorte Südtirols überzeugt. Es stimmt: Meine „Akkus“ wurden buchstäblich wieder aufgeladen. Keine Wanderung war zu weit, selbst bei hohen Temperaturen fühlte ich mich einfach wohl. Ganz zu schweigen vom perfekten Schlaf, den ich in der Zeit hatte. Und ich bin nicht die Erste, die das spürte. Michl Trocker: „Die Einzigartigkeit dieser Kraftorte wussten schon unsere Vorfahren zu nutzen. Immer wieder wurden diese Orte für Versammlungen, Gerichtbarkeiten oder für religiöse Kulte aufgesucht. Daher wurden Berge in früheren Zeiten oft als Hexentanzplätze verflucht.“ Berühmt-berüchtigt waren die Schlernhexen. Sie werden in den meisten Überlieferungen für schwere Unwetter verantwortlich gemacht und waren deshalb gefürchtet. Bittere Realität: Allein im Gebiet von Völs am Schlern wurden neun Frauen als Wettermacherinnen und Hexen zum Tode verurteilt. Wo man in Südtirol diese Magie erleben kann? Praktisch überall! Es gibt hier eine Vielzahl von Kraftorten, verrät mir der Experte und ergänzt: „Oft sind diese an ursprünglich heidnischen Plätzen zu finden. Dort wurden sie von Christen errichtet, beispielsweise als Kapellen oder Wahlfahrtsorte.“ Zu den bekannten Kraftorten zählt Bad Dreikirchen in Barbian im Eisacktal: an der Stelle eines uralten heidnischen Quellheiligtums wurden zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert auf 1120 Metern Höhe drei kleine Kirchen eng aneinander gebaut. Der Tarscher Bühel im Vinschgau ist eine vorchristliche Kultstätte, die bereits in der Antike besiedelt war. Rund 80 Hütten und Häuser sollen auf 1,3 Hektar hier gestanden haben. Heute lohnt dort das alte St. Veit Kirchlein eine Besichtigung. Auch auf dem Burgstall, so wird der nördliche Teil des Schlerns, des bekannten Berges am Rande der Seiser Alm genannt, gibt es einen weiteren besonderen Ort. „Der Sage nach versammelten sich dort in jeder Donnerstagnacht alle Hexen aus Südtirol zum Tanz.“
Erfrischung im Schlernblut
Apropos Schlern. Der 2563 Meter hohe Bergstock über dem Eisacktal ist das Wahrzeichen von Südtirol, Nationalsymbol und ein sagenumwobener Berg. Ihm werden seit jeher mystische Kräfte zugeschrieben. Seine imposante Felsformation lässt einen seine Wirkung schon erahnen. Er ist der Berg der Urkraft. Rund um dieses Bergmassiv gibt es tolle Kraftort- Wanderungen. Auf meiner Tour habe ich unter anderem die tief im Wald verborgene Ruine Salegg erleben dürfen. Sie stammt wie die nahegelegene Ruine Hauenstein aus dem 12. Jahrhundert. Auf deren damaliger Burg verbrachte der bekannte Ritter und Minnesänger Oswald von Wolkenstein eine Zeit seines Lebens. Heute stehen nur noch einige Mauerreste. Trotzdem ist es ein magischer Ort mit Aussicht. Und Einsicht. Auch das Schlernblut habe ich „probiert“. Keine Angst, es ist gar nicht das, wonach es sich anhört. Die Legende vom Schlernblut beruht auf einer Eigenheit des Symbolbergs.Wie aus einer Wunde strömt das ganze Jahr über Wasser aus den Felswänden, das sich im Völser Weiher sammelt. Das Besondere daran ist, dass es auch im Winter nicht gefriert. Mein Tipp: Ein Bad im idyllisch gelegenen, Tannen umsäumten Völser Weiher mit hervorragendem Blick auf die Santnerspitze. Allerdings darf man sich nur am Nordufer des gerade mal dreieinhalb Meter tiefen Sees in die Fluten stürzen. Obwohl sich der Bergsee auf einer Meereshöhe von etwas mehr als 1000 Metern befindet, wird er im Sommer bis zu 22 Grad Celsius warm und ist eine angenehme Erfrischung. Für mich ist dieser Weiher ein ganz besonderer, wenn auch inoffizieller Kraftort auf meiner Reise. Für jeden Menschen kann ein Kraftort schließlich etwas anderes sein. Ganz wichtig ist auch: Der Weg zum Ziel ist schon ein Teil der Kraftort-Erfahrung. Denn auf der Route durch Wälder, vorbei an Seen, beim Anblick der Tiere und Pflanzen wird man eins mit der Natur. Der Genius Loci, also der Geist des Ortes, zeigt sich jenen, die sich diesen mystischen Plätzen öffnen. Dann kann man auch eine sagenhafte Energie spüren. Wer sich ausgeschlafen, verbunden, aufgeladen fühlen möchte, der ist an diesen Orten genau richtig. Maren Schwarz