Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind stetigem Stress ausgesetzt. Darunter leidet auch die Gesundheit. Ein einfaches Mittel zur Bekämpfung: Eisbaden oder Winterschwimmen. Einmal die Kältegrenze überwunden, hat es jede Menge Benefits – Glücksrausch inklusive.


Neu entdeckt Was Goethe und Kneipp längst wussten, wird heute von immer mehr Menschen geschätzt: die Wohltaten von Kälte


Plötzlich sind sie da. Die Gedanken, die sich immer wieder im Kreis drehen. Flashbacks. Zukunftsszenarien. Deadlines. Dazu erhöhter Puls. Gefühle, die einem den Atem rauben können. Die meisten von uns kennen Stress und das oft damit einhergehende Gedankenkarussell. Dann fragt man sich: Warum bin ich an diesem Punkt? Und wie komme ich da einfach und rechtzeitig wieder raus?
Meditation, gute Ernährung, eine ausgewogene Work-Life-Balance – alle diese Methoden haben natürlich ihre Berechtigung. Aber es geht eben auch banal einfach: Mit einem Sprung ins eiskalte Wasser. Schon Johann Wolfgang von Goethe hat – von Yoga-Asanas in Indien nichts ahnend – die oberste Eisschicht der Ilm aufgehackt, um ein Eisbad zu nehmen. Naturheilkundler wie Ernst Mahner und Sebastian Kneipp haben im 19. Jahrhundert auf die Heilkraft von kaltem Wasser und Winterbaden aufmerksam gemacht. Heute erleben das Eisbaden und Winterschwimmen durch Stars wie Kate Middleton und Hailey Bieber erhöhte mediale Aufmerksamkeit. Während die Prinzessin von Wales gerne bei jeder Witterung ein paar Schwimmzüge in umliegenden Seen macht, taucht Hailey Bieber regelmäßig in eine mit Eis gefüllte Gartenwanne ab. Unterschiedliche Methoden, gleiches Ziel: kaltes Wasser und seine Vorzüge genießen. 
Genießen? Das klingt für die Meisten ironisch – zumindest am Anfang. Schließlich liegen die Wassertemperaturen mit höchstens 10 Grad Celsius für Ungeübte an der Grenze des Erträglichen. Schon der Gedanken daran lässt schaurige Gänsehaut entstehen. Warum sollte man sich das freiwillig antun?
„Wer Kälte bewusst und richtig einsetzt, stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern steigert generell die Gesundheit und Vitalität“, sagt der staatlich geprüfte Fitnesscoach und Gesundheitstrainer Markus Führer, der im Hotel Karnerhof Eisbaden-Workshops nach der berühmten Wim-Hof-Methode anbietet. Kurz zu Wim Hof: Der unter dem Namen „The Iceman“ bekannte holländische Extremsportler und Rekordbrecher hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben. Sein neuestes Werk mit dem vielversprechenden Titel „Nie wieder krank: Gesund, stark und leistungsfähig durch die Kraft der Kälte“ zeigt, welche Vorteile das Eisbaden haben kann. 
Mittlerweile sind all diese Vorzüge wissenschaftlich untersucht und belegt. Dazu gehören zum Beispiel, mehr Energie und weniger krank werden. Und nicht zu vergessen die mentale Komponente: Laut zahlreicher Studien zu Wim Hofs Methoden sorgt Winterbaden nicht nur für eine bessere Stimmung, es kann eben auch Stress reduzieren, den Schlaf verbessern und Depressionen verringern. Dafür verantwortlich sind, neben anderen Körperprozessen, insbesondere ausgeschüttete Opioide wie Dopamin, Serotonin und Endocannabioide, cannabisähnliche Substanzen, die zu einem High-Gefühl und tiefem Wohlbefinden führen können. 

(Foto: shutterstock_Girts-Ragelis)

Schritt für Schritt an die Kälte gewöhnen

„Grundsätzlich kann jeder Eisbaden erlernen, wenn die körperliche und mentale Gesundheit gegeben ist“, sagt Experte Markus Führer. „Wer Anfänger ist, dem rate ich einen eintägigen Workshop, um spezielle Techniken kennenzulernen.“ Vorab ist außerdem ein medizinischer Check-up empfehlenswert. Vor allem bei Herzerkrankungen rät der Fitnesscoach, die Einschätzung eines Arztes einzuholen. Schwangere dürfen außerdem erst ab dem 4. Schwangerschaftsmonat mitmachen. Wichtigste Regel zum Loslegen: Man sollte niemals alleine Eisbaden gehen.
Die Wim-Hof-Methode selbst basiert auf den drei Säulen Kälte, Atmung und Mindset. „Der Körper muss sich Schritt für Schritt an die extreme Kälte gewöhnen. Da hilft es, methodisch vorzugehen”, sagt Führer. Vom kalt Duschen kennen wir die Reaktionen auf kaltes Wasser bereits. Ein Gefühl, wie wenn sich tausend Nadelstiche in die Haut bohren. Der Körper versetzt sich automatisch in Alarmbereitschaft, der Atem stockt. Anders sieht das beim professionellen Eisbaden aus, dank erlernter Atmung ist der erste Gang ins Wasser gefühlt gar nicht mehr so schwer. Eher fokussiert, nach innen gerichtet, meditativ.
Ist das kalte Bad erst einmal geschafft, locken Rausch und Hochgefühl. Und regelmäßige Sessions werden dann mit einem gestärkten Immunsystem belohnt. Trotz Glücksgefühl ist es danach allerdings wichtig, sich direkt aufzuwärmen. „Trinke langsam einen warmen, nicht heißen Tee, packe dich warm ein und plane eine Ruhepause ein“, so Markus Führer. Gleich danach sollte man außerdem nicht Auto fahren, da es sein kann, dass man zu zittern beginnt, wenn der Körper kräftig Wärme produziert.“ 


Tipps für das Winterschwimmen 

Rein ins eisige Nass Eisbaden von maximal drei Minuten regt Körper und Geist an und macht glücklich. Anschließend gut aufwärmen und warme Flüssigkeit zu sich nehmen (Foto: shutterstock_Sergio-Photone)
  • Trainieren Sie Zuhause mit einer täglichen kalten Dusche. 
  • Steigern Sie die Zeit von Tag zu Tag.
  • Bereiten Sie sich mental auf das Eisschwimmen vor und machenSie vor dem Gang ins kalte Wasser Atemtraining.
  • Nehmen Sie einen Menschen mit, der Ihnen gut tut undIhnen vor Ort Sicherheit gibt!
  • Bedecken Sie den Kopf mit einer Mütze. Schützen Sie je nach Wassertemperatur Ihre Füße und Hände mit speziellen Neopren-Schuhen.
  • Nie die Hände oder den Kopf unter Wasser tauchen. 
  • Spüren Sie beim Eisbaden in sich hinein und nehmen Sie dieSignale Ihres Körpers war. Niemals übertreiben!
  • Am Hals befinden sich die meisten Kälterezeptoren. Daher sollte er nach dem Bad bedeckt werden.
  • Wärmen Sie sich nach dem Winterschwimmen gut auf. Trinken Sie etwas Warmes, z. B. Tee, hüllen Sie sich in warme Kleidung und nehmen Sie Zuhause eine warme Dusche. Ist Ihnen danach den ganzen Tag kalt, ist das ein Zeichen, dass es zu viel war. 

Drei Minuten kalt duschen

Und danach? Wenn der Kurs abgeschlossen ist, kann man theoretisch gleich dranbleiben. „Im Winter eignen sich eigentlich alle stehenden Gewässer, die einen guten Zugang haben“, erklärt der Gesundheitstrainer. Wem das nicht möglich ist, der kann Zuhause seine Badewanne mit kaltem Wasser und Eiswürfeln füllen. Ökologischer geht das zum Beispiel mit mehreren 1-Liter Flaschen Wasser, die immer wieder aufs Neue im Eisfach gelagert werden können. Oder man nutzt – auch zum Training vorab – erst einmal die eigene Dusche und dreht den Hahn voll in Richtung Blau. Wim Hof selbst duscht laut eigenen Angaben jeden Morgen drei Minuten kalt. Na dann, tief durchatmen und loslegen! 


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