Mit Freude altern
„Jeder möchte lange leben, aber keiner will alt sein“, stellte schon Jonathan Swift fest. Der Aphorismus hat auch rund 300 Jahre später nichts von seiner Gültigkeit verloren. Allerdings konnte der irische Satiriker und Autor von „Gullivers Reisen“ nicht ahnen, dass das Thema Langlebigkeit eines Tages zum Mega-Trend würde.
Longevity, so der trendige englische Ausdruck für Langlebigkeit, bewegt immer mehr Fitness-Studios, Spas und Wellness-Resorts, aber auch Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln dazu, ihr Angebot an den Wunsch von Kunden und Gästen anzupassen, möglichst lange möglichst gut zu leben.
Eine wachsende Zahl an selbsternannten und echten Spezialisten, wie der kanadisch-amerikanische Arzt und Autor Dr. Peter Attia, verbreiten Tipps auf Podcasts und Blogs. Der Global Wellness Summit rief Longevity unlängst zum Mega-Trend der kommenden Jahre aus. Und auch auf der diesjährigen Fibo, die weltweit größte Messe für Fitness, Wellness und Gesundheit in Köln, war das Thema in aller Munde.
„Man ist nie zu alt,
Mae West, Schauspielerin und Sängerin
um jung zu sein.“
Frauen leben länger
Vermutlich ist die Sehnsucht nach einem langen Leben so alt wie die Menschheit selbst. Schließlich war dies über Jahrtausende hinweg nicht selbstverständlich. Noch vor 60 Jahren lag das durchschnittliche Sterbealter in Deutschland bei rund 67 Jahren gegenüber knapp 81 im Jahr 2022. Dies ergab die jüngste Erhebung des Statistischen Bundesamts (Stand 16.04.2024). Frauen leben in Deutschland heute laut Statistik etwa fünf Jahre länger als Männer (83,2 : 78,3), der Abstand hat sich im Lauf der Zeit vergrößert. Das mag auch daran liegen, dass Frauen eher auf einen gesunden Lebenswandel mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und Stressausgleich achten. Außerdem verzichten sie häufiger auf Tabak und Alkohol als Männer. Damit wären wir auch schon bei der Frage angekommen, welche Faktoren dazu führen, dass manche Menschen deutlich älter werden als andere.
Das Alter steigt mit dem Wohlstand
Die Lebenserwartungen variieren in den verschiedenen Teilen der Erde stark.
- Bei seiner Geburt hat jeder Erdenbürger eine durchschnittliche Lebenserwartung von 72 Jahren. In Ländern mit hohem Bruttonationaleinkommen pro Kopf liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 80 Jahren, in Afrika bei 63 Jahren.
- Die Spitzenplätze belegen San Marino mit 87 Jahren, gefolgt von Monaco (86) und Japan (85). Die niedrigste Lebenserwartung weltweit haben Lesotho und der Tschad mit durchschnittlich 53 Jahren, das Schlusslicht in Europa bildet Moldau (71 Jahre).
- Innerhalb der Europäischen Union liegt Deutschland mit 80,7 Jahren genau auf Durchschnitt. Den Spitzenplatz belegt Spanien (83,2).
*Quelle: www.statista.com; Daten von 2022.
„Das Alter ist keine Frage der
Cicero, Schriftsteller, Philosoph und Politiker
Jahre, sondern der Einstellung.“
Die Macht der Gene
Die ernüchternde Wahrheit: Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass die Gene bis zu einem Drittel das erreichbare Lebens-
alter bestimmen. Das bedeutet aber nicht, dass man dem Schicksal machtlos ausgeliefert ist. Denn auch der Lebenswandel sowie Umweltfaktoren wirken sich auf die Lebensdauer aus – im Guten wie im Schlechten. Ernährung, Bewegungsverhalten, Schlafqualität und -quantität, der Umgang mit Stress und auch soziale Kontakte tragen dazu bei, ob man ein hohes Alter erreicht oder eben nicht. Sind diese Bereiche unausgewogen, sind also Körper und Geist nicht in Balance, dann steigt die Gefahr, krank zu werden und möglicherweise an dieser Krankheit zu sterben.
Es gibt Regionen der Erde, wo die Einwohner deutlich älter werden als im Rest der Welt. Blue Zones nennt man diese Gebiete. Geprägt hat den Begriff der US-Journalist Dan Buettner, der seine Rechercheergebnisse zum Thema Langlebigkeit 2005 in der Zeitschrift National Geographic präsentierte. Dabei wies er auf fünf Regionen hin: Die Provinz Ogliastra auf Sardinien, die japanische Insel Okinawa, das griechische Eiland Ikaria, die Halbinsel Nicoya in Costa Rica sowie Loma Linda im US-Bundestaat Kalifornien. Die Menschen dort wurden überdurchschnittlich alt und erkrankten unverhältnismäßig selten.
Als Gemeinsamkeit in allen fünf Zonen machte Buettner die Bedeutung und Pflege der Familie bzw. der Gemeinschaft aus, eine vorwiegend pflanzliche Ernährung mit mäßiger Kalorienzufuhr, den Verzicht auf Rauchen und mäßigen Alkoholkonsum sowie regelmäßige, aber moderate Bewegung bis ins hohe Alter. Die blauen Zonen dienen gewissermaßen als Blaupausen für Longevity-Konzepte, die häufig aus einem Mix aus gesunder Ernährung und einem abgestimmten Sportprogramm bestehen.
Sportlich bis ins hohe Alter
Ausdauer und Muskulatur sollten bei regelmäßigen Bewegungseinheiten aufgebaut werden. Zwei Stunden pro Woche werden empfohlen
Sport wirkt lebensverlängernd, das haben verschiedene Studien bewiesen. Regelmäßige Bewegung wirkt präventiv gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes, Krebs oder Osteoporose. Schon 15 Minuten Bewegung täglich senken das Sterberisiko um 14 Prozent – hier gilt „mehr ist mehr“. Wie Wissenschaftler herausfanden, stößt regelmäßiger Ausdauersport biochemische Vorgänge im Körper an, durch die die Zellen quasi verjüngt werden. Wichtig beim Sport ist eine gute Mischung aus Herz-Kreislauf- und Muskelaufbautraining. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Bewegung pro Woche. Moderat heißt, dass dabei 50 bis 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz erreicht werden (z. B. Spazierengehen), bei intensivem Sport sollten es 70 bis 85 Prozent sein (z. B. Joggen). Zum Muskelaufbau empfiehlt die WHO mindestens zwei Einheiten pro Woche.
Vielfältige Methoden
Aber auch moderne Diagnosemethoden wie Biomarker-Tests, Ganzkörper-MRTs oder Hormontests sollen dabei helfen, gesundheitliche Probleme zu erkennen, bevor sie entstehen. Außerdem gehören experimentelle Ansätze wie Stammzellenbehandlungen und Plasmaaustausch zum Portfolio von Longevity-Kliniken weltweit. Auch bereits bekannte regenerierende Behandlungen wie Infusionen, Kryo- oder Ozontherapie werden nun im Zeichen der Langlebigkeit angepriesen. Letztlich tragen zum Trend Longevity auch ganz klassische Wellness-Angebote wie Saunieren, Yoga, Thalasso oder Massagen bei, die sich nicht nur positiv auf den Körper auswirken, sondern auch dem Stressabbau förderlich sind. Dazu passen maßgeschneiderte Fitness-Angebote in der Gruppe, die den Community-Gedanken fördern und ein Stück weit auch die sozialen Kontakte ersetzen, die im Alltag vieler Menschen zunehmend verloren zu gehen scheinen und doch so essenziell sind.
„Alt ist man dann, wenn man
Coco Chanel, Modedesignerin
an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft.“
Hundertjährige sind selten
Damit wird man nicht zwangsläufig 100. Denn die wirklich langlebigen sogenannten ,,Supercentenarians“, die erwiesenermaßen ein Alter von über 110 und mehr erreicht haben, sind sehr, sehr selten. Vielmehr geht es darum, die Zeit, die einem auf Erden vergönnt ist, möglichst lange gesund genießen zu können. Oder, um mit einem weiteren Zitat von Jonathan Swift zu schließen: ,,Mögest du jeden Tag deines Lebens leben.“
Katja Kösztler
Sinn und Zweck von Supplements
Nahrungsergänzungsmittel erfreuen sich wachsender Beliebtheit, besonders bei Anhängern des Longevity-Trends. Der Markt spiegelt dies mit einer zunehmenden Zahl spezialisierter Supplements mit Inhaltsstoffen wie Quercetin, Spermidin oder Berberin. Dies kann Verbraucher schnell überfordern. Hier ist individuelle, fachkundige Beratung gefragt. Da Nährstoffe mit zunehmendem Alter schlechter vom Körper aufgenommen werden, können Supplements aber durchaus sinnvoll sein. Bewährt zur Vorbeugung von degenerativen Erscheinungen hat sich Magnesium. Es wirkt erneuernd und schützend auf Knochen, Muskeln und Nerven sowie auf den Blutdruck und die Zellen. Auch Vitamin D ist sinnvoll, da es für die Knochendichte zuständig ist. Omega-3-Fettsäuren tragen zu einem guten Cholesterinspiegel bei und schützen somit auch das Herz. Vielversprechend ist außerdem Fisetin, ein gelber Naturfarbstoff, der entzündungshemmend wirkt und im Ruf steht, altersbedingte Prozesse im Körper zu verlangsamen. Mit einer ausgewogenen Ernährung können all diese Stoffe auch auf natürliche Weise zugeführt werden.