Der Ausweg aus Einweg

Das Ende für Kleinstverpackungen in der EU ist bereits beschlossen. Das hat auch Auswirkungen auf die beliebten Fläschchen und Tiegel im Hotelbadezimmer. Worauf sich Branche und Gäste einstellen müssen, erfahren Sie hier.

Das ist doch bezahlt, oder? Für viele Gäste haben die Tiegel, Tuben und Fläschchen aus dem Hotelbadezimmer Kultstatus. Die Produkte werden nicht nur als Souvenir oder für den nächsten Handgepäck-Kurztrip mitgenommen. Ab einer bestimmten Sternekategorie erwartet der Gast, entsprechende Utensilien wie Shampoos und Lotions im Badezimmer vorzufinden. Insbesondere Geschäftsreisende profitieren davon, den Koffer so leicht wie möglich gepackt zu haben. Hin und wieder helfen die Badezimmeraccessoires auch aus der Patsche – etwa, wenn man Nagelfeilen, Wattepads, Lotion und Haarspülung zu Hause vergessen hat.
Außerhalb von Geschäftsreisen stehen die kleinen Produkte aber auch für Gastlichkeit, Wellness-Momente und ein Gefühl, im ,,Urlaubszuhause“ angekommen zu sein. Außerdem sind die Produkte bei vielen Reisenden auch als Mitbringsel oder Souvenir sehr gefragt. In diesem Beitrag soll es aber nicht darum gehen, ob es eigentlich strafbar ist, die Tiegel und Tuben mit nach Hause zu nehmen. Hier geht es um das Aus der Fläschchen und Sachets aufgrund einer EU-Verordnung, die sich unter anderem der Reduzierung von Einwegverpackungen verschrieben hat.

Für mehr Nachhaltigkeit
Hotellerie und Gäste werden sich umgewöhnen müssen. Denn das Europäische Parlament hat bereits im April 2024 ein Verbot von Einweg-Plastik-Verpackungen ab 2030 beschlossen. Ab dann soll jede Verpackung recycelbar sein. Wann genau der Europäische Rat die Verordnung verabschiedet, ist aktuell allerdings noch nicht absehbar.
Die EU-Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation – PPWR) ist eine Regelung der Europäischen Union, die darauf abzielt, die Verschmutzung durch Verpackungsmaterialien zu reduzieren und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für Verpackungen zu fördern. Es geht in der Verordnung also nicht nur um Verbotsregelungen, sondern auch um solche, die innovative Konzepte zu wiederverwertbaren Verpackungen und Recyclingprozessen beinhalten. Weiter werden Anforderungen an den Lebenszyklus von Verpackungen, Kennzeichnungspflichten und Erfordernisse an die Zusammensetzung der Stoffe gestellt. Der Entwurf wurde bereits 2022 vorgelegt. In Form einer Verordnung werden die Regelungen für alle EU-Länder, EU-ansässige Unternehmen und importierte Verpackungen verbindlich. Mit dem Verbot von Einweg-Plastik bei Verpackungen will die Europäische Union ihrem Ziel näherkommen, bis 2040 mindestens 15 Prozent an Verpackungsmüll einzusparen. Sie hält sich hierbei an einen Vergleich mit dem Basiswert aus dem Jahr 2018.
Immerhin kommen laut der Nachrichtenplattform www.tagesschau.de auf jeden Bürger in der Europäischen Union pro Jahr durchschnittlich 190 Kilogramm Verpackungsmüll. Die Experten sehen es als erforderlich an, Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Zahl nicht noch mehr steigt.
Neben den weichen Regelungen und auch Chancen, die viele in der Verordnung sehen, enthält diese auch konkrete Verbote. Bestimmte Branchen sind davon besonders betroffen, unter anderem Lebensmittelindustrie und Gastronomie, aber auch Hotellerie und Kosmetikbranche. Die Neuerungen, die im Kosmetik- und Spabereich von besonderem Interesse sind, betreffen das Verbot von kleinen Hotelverpackungen für Kosmetik- und Hygiene-Accessoires im Bad.

(Foto: shutterstock/ JabaWeba)

Die Industrie passt sich an
Viele Hotels haben bereits in der Vergangenheit auf wiederverwendbare und/oder auffüllbare Kosmetikbehältnisse in den Hotelzimmern oder im Spa-Bereich umgestellt. Die großen Shampoo-Spender in der Dusche sind auch in der gehobenen Sternekategorie längst angekommen und die meisten Lieferanten und Kosmetiklabels stellen entsprechende Designs, Qualitäten, Marken und Ausführungen für jede Klassifizierung bereit.

Pappe statt Plastik
Was für Shampoos, Bodylotion, Handseife und Conditioner noch gut funktioniert, findet seine Grenzen bei anderen beliebten Produkten wie Einwegnagelfeilen, kleinen Schuhputz-Sets, Badehauben & Co. Aber auch diese sind mittlerweile in Pappe oder (Kraft-)Papier verpackt. Zahnbürsten, Kämme und andere Hygieneartikel kommen dann ohne eine zusätzliche Ummantelung aus Plastik aus. Zudem sind die Produkte selbst mittlerweile bei vielen Anbietern aus wiederverwendbaren und/oder voll kompostierbaren Rohstoffen erhältlich, etwa Kämme und Zahnbürsten aus Bambus oder Maisstärke.
Die Änderungen treten nicht von heute auf morgen ein. So hat die Branche Zeit, die Gäste bereits jetzt an den neuen Look im Badezimmer zu gewöhnen. Viele tun dies schon seit Jahren. Ersten Einschätzungen zufolge dürften die Einschnitte in anderen Branchen also gravierender sein als im Spa- und Wellnessbereich.
Die neuen Regelungen können auch eine Chance sein, das eigene Branding und den Hotelbedarf, der den Gästen zur Verfügung gestellt wird, komplett zu überdenken. Erwarten Hotelgäste in einer bestimmten Klassifizierung wirklich, Duschhauben oder Schuhputzschwämmchen im Zimmer vorzufinden? Was ist den Gästen im Badezimmer wirklich nützlich, worauf legen sie Wert und was wird am Ende doch nur als Mitbringsel für die Nachbarin mitgenommen, die sich während des Urlaubes um die Blumen gekümmert hat? Die eigenen Gäste können hier wertvolle Antworten liefern. Die Neuregelungen können aber auch Anlass sein, mit dem jeweiligen Zulieferer für Hotelbedarf ins Gespräch zu kommen. Wie stellen sich die Vertragspartner die Zukunft in diesem Bereich vor und welche Gadgets könnten zukünftig die Duschhaube, das Näh-Set oder die abgepackten Wattepads ersetzen? Vielleicht ist es an der Zeit, den Bereich Gäste-Komfort diesbezüglich neu zu denken.

Gloria Maria Reich


Zeitliche Umsetzung der Verordnung

Der Zeitplan ist straff: Die Umsetzung könnte schon ab Ende 2025/Anfang 2026 beginnen. Mit Verabschiedung der Verordnung gelten dann auch die dort festgelegten Fristen und Übergangsfristen:

  • Bis zum Jahr 2030 müssen alle Verpackungen auf dem EU-Markt recycelbar sein.
  • Innerhalb von 15 Jahren, bis 2035, sollen die meisten Verpackungen diese Anforderung erfüllen.
  • Ab 2035 müssen Hersteller nachweisen, dass ihre Verpackungen tatsächlich umfassend recycelt werden können.
  • Ab 2030 muss außerdem ein bestimmter Anteil an Post-Consumer-Rezyklat (PCR) verwendet werden.

Gloria Maria Reich

Gloria Maria Reich begleitet die Beautybranche als Autorin und Referentin bereits seit über 20 Jahren. Neben den juristischen Themen legt die ehemalige Rechtsanwältin ihren Fokus auch auf die Wissensvermittlung in den Bereichen Mentoring, Generationenvielfalt und Business-Netzwerke für Frauen.
gloria.reich@gmx.de