Boxen galt lange Zeit als brutaler Männersport. Dieses Image hat sich inzwischen gewandelt. Als Fitnessboxen erfreut sich das vielseitige Workout wachsender Beliebtheit – ganz ohne Kampf und Gegner. Seit Topmodels wie Gigi Hadid ihre Luxuskörper mit der Trendsportart stählen, ziehen auch immer mehr Frauen die Boxhandschuhe an.

Testosteron-geschwängerte Luft, ein aufgepeitschtes Publikum und mittendrin zwei halbnackte Männer, die mit Fäusten aufeinander einschlagen, bis Blut fließt und einer von beiden am Boden liegt: Boxen hatte lange Zeit das Image einer brutalen, maskulinen Sportart. Das hat sich grundlegend geändert. „Fitness-boxen“ begeistert Topmodels wie Gigi Hadid, Adriana Lima oder Karlie Kloss. Passt irgendwie nicht zusammen? Doch! Denn bei der Trend-Sportart geht es nicht darum, einen Gegner auszuknocken, sondern Kalorien zu verbrennen, den Körper zu definieren und einiges mehr. Bis zu 400 Kalorien werden bei einer halben Stunde klassischem Boxen im Ring verbrannt, beim Training mit dem Boxsack oder einem Punching Ball immerhin noch 200 und beim Sparring mit einem Partner bzw. Trainer rund 300.

Technik und Koordination
Fitnessboxen besteht aus einer Kombi von Schlagtechniken, Bewegungsabläufen und Fitnessübungen, ist also ein intensives Intervalltraining, das Kondition, Muskulatur und die Beweglichkeit schult wie kaum eine andere Sportart. Sparring, also das Training mit einem Gegner, wird dabei vermieden, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, wie Ramazan Kayran erklärt, Wellbeing Supervisor und Personal Trainer im Aspria Hannover Maschsee, einem Mitgliederclub für Wohlbefinden und Fitness mit mehreren Standorten in Deutschland. So ganz aufs Training mit einem menschlichen Gegenüber muss man aber nicht verzichten. „Statt freier Kämpfe gibt es gezielte Partnerübungen, bei denen Angreifer und Verteidiger genau wissen, wie sie reagieren müssen“, erläutert der Kampfsportexperte. Das sorge für eine sichere Trainingsumgebung und helfe, Bewegungsabläufe zu verinnerlichen. Der Großteil des Trainings, so Kayran, findet allerdings an Handschlagpolstern statt, sogenannten Pratzen, oder am Boxsack.
Beim Fitnessboxen wird der gesamte Körper beansprucht und nicht nur, wie man zunächst annehmen könnte, die Arme. Insbesondere die Beine spielen eine wichtige Rolle. Eine gute Beinarbeit trägt dazu bei, die Schlagkraft zu verbessern. Denn sie liefert die Basis für Drehungen aus der Hüfte und dem Rumpf, deren Schwung über die Arme in den Schlag geleitet wird. Die Tatsache, dass man die ganze Zeit mit leicht gebeugten Knien trainiert, trägt ebenfalls zur Stärkung der Beinmuskulatur bei. Doch auch andere Körperpartien kommen beim Fitnessboxen nicht zu kurz. Die Schläge auf die Pratzen oder den Boxsack fordern Schultern, Bizeps, Trizeps, Brust- und Rückenmuskulatur. Außerdem werden die Tiefenmuskulatur der Körpermitte, die seitlichen Bauchmuskeln und der untere Rücken trainiert, ebenso wie Beine und Po.

(Foto: AdobeStock_AntonioDiaz)

Schief gewickelt
Bandagen stabilisieren
die Handgelenke und
nehmen Feuchtigkeit auf

Einfach mal einen raushauen
Ein weiterer Vorteil des Fitnessboxens ist die Koordination von Körper und Gehirn. Schließlich muss man seinen „Gegner“ ständig beobachten und blitzschnell reagieren. Konzentration und Fokus sind also essenziell. Präzision beim Ausführen der Schläge ist ebenfalls gefragt und auch der Gleichgewichtssinn wird geschult. Und – man ahnt es schon: Sogar die Psyche profitiert vom Boxen. Gerade wenn man beruflich und/oder privat häufiger Stress ausgesetzt ist, tut es manchmal einfach gut, seinen Frust rauszulassen. Einen Boxsack zu traktieren wirkt nicht nur befreiend, sondern lockert auch verspannte Muskeln. Und es tut niemandem weh. Gerade Frauen profitieren außerdem von dem Bewusstsein, sich im Notfall verteidigen zu können – ein Booster fürs Selbstvertrauen!
Wer zwei- bis dreimal pro Woche trainiert, kann nach zwei bis vier Wochen mit ersten Resultaten rechnen. Fürs Training benötigt man neben bequemer Sportbekleidung erstmal nur Boxhandschuhe und Bandagen sowie ein Springseil. Fortgeschrittene können auch allein zu Hause am Boxsack trainieren, Anfängern legt Ramazan Kayran einen Trainer ans Herz. „Er achtet auf eine saubere Technik und verhindert, dass man sich durch falsche Bewegungen verletzt.“ Einen guten Coach erkennt man daran, dass er die Techniken verständlich erklärt, das Training dem Level der Teilnehmer anpasst und individuelle Tipps gibt. „Falls man das Gefühl hat, nur ausgepowert zu werden, ohne wirklich was zu lernen, ist das ein Warnsignal“, betont Kayran. Das Interesse an den Kursen sei groß, auch unter Frauen. Gleichzeitig sieht der Kampfsportexperte einen neuen Trend auf uns zukommen: Mixed Martial Arts, kurz MMA, mit Fokus auf einzelnen Disziplinen. Die Kombi von Kampfsport und Fitness boomt. Auch ohne dass Blut fließt.


Kurz nachgefragt bei Ramazan Kayran

Was fasziniert Sie am Boxen?
Der Boxsport kombiniert verschiedene motorische Grundfähigkeiten in einer Disziplin, wodurch Boxerinnen und Boxer in der Regel nicht nur harte Schläge austeilen können, sondern auch in anderen Bereichen gleichzeitig gute und gesunde Athleten sind. Außerdem fördert Boxen das Selbstbewusstsein und verbessert die Disziplin erheblich.

Für wen ist Fitnessboxen geeignet und für wen nicht?
Ganz einfach – für jeden! Mein ältestes Mitglied ist über 70 Jahre alt und mein jüngstes ist mein zweijähriger Sohn. Boxen ist eine großartige Möglichkeit, überschüssige Energie abzubauen und gleichzeitig körperlich sowie mental stärker zu werden.

Was ist außerdem besonders daran?
Beim Boxen wird nicht nur der Körper, sondern auch das Mindset trainiert. Dein Nervensystem passt sich an, so dass du lernst, in stressigen Situationen mit klarem Kopf zu agieren. Ein Beispiel: Wenn eine Gefahr auf dich zukommt, kann es passieren, dass du die Kontrolle über deinen Körper verlierst – durch unkontrolliertes Schreien, Herzrasen oder weiche Knie. Boxerinnen und Boxer hingegen bleiben ruhiger, reagieren kontrollierter und können die Situation besser bewältigen.

Ramazan Kayran ist Wellbeing Supervisor und Personal Trainer im Wellbeing Team des Aspria Hannover Maschsee. Dort werden seit vielen Jahren Kurse und Workshops rund um den Kampfsport angeboten. www.aspria.com

Starker Body, klarer Kopf

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Kraftvolle Beinarbeit Das atmungsaktive Obermaterial mit 50-prozentigem Recycling-Anteil sowie innenliegende Verstärkungen des Box Hog 4 Boxschuhs sorgen für eine kraftvolle Performance. In mehreren Farben erhältlich. 110 €, www.adidas.de


Weitere Tipps zu einem gesunden Lifestyle und neue Fitness-Trends finden Sie in der aktuellen Ausgabe SPA inside.