Seit drei Generationen steht das Unternehmen Börlind für effektive und verträgliche Naturkosmetik. Mit Geschäftsführer Nicolas Lindner sprach INSIDE beauty über Pioniergeist, den verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Natur, gelebte Werte und aktuelle Herausforderungen.
Immer mehr Menschen vertrauen heute auf Naturkosmetik. Gefragt sind Produkte, die auf natürliche Inhaltsstoffe setzen, aber auch auf Nachhaltigkeit und Regionalität. Herr Lindner, Ihre Großmutter setzte bereits vor 60 Jahren ihren Fokus auf diese Themen, war das nicht schwierig?
Nicolas Lindner: Meine Großmutter Annemarie Lindner hat in einer Zeit, in der alle auf die Wirkung von chemischen Produkten gesetzt haben, den Gegentrend gestartet. Mich beeindruckt noch immer, dass sie ihren Weg damals vor 60 Jahren gegen alle Widerstände gegangen ist. Das war zu Beginn sowie auch in den ersten Jahrzehnten nicht leicht. Doch der Erfolg gab und gibt ihr und uns Recht. Man nimmt uns sehr wohl die Kompetenz in Sachen Naturkosmetik ab, schätzt unsere Glaubwürdigkeit und Authentizität. Wir beherrschen unser Metier seit drei Generationen aus Überzeugung – und nicht, weil Naturkosmetik im Trend iegt.
Dieses Erbe haben Sie behutsam fortgeführt und ausgebaut. Welche Entwicklungen sind Meilensteine in der Firmengeschichte?
Nicolas Lindner: Eigene Hautprobleme waren damals ausschlaggebend für meine Großmutter, den Beruf der Kosmetikerin zu erlernen und ihre eigenen Pflegeprodukte zu entwickeln. Die „Annemarie Lindner Kräuterkosmetik“ stand allerdings kurz vor der Enteignung. So entschlossen sich meine Großeltern, zusammen mit meinem Vater, von Ostdeutschland nach Westdeutschland zu fliehen und dort neu anzufangen. Dort kam es zum Kontakt mit Herman Börner, sicher ein großer Meilenstein. Er ist auch der Grund, warum wir im Schwarzwald sind. Herman Börner hatte ein Pharmaunternehmen in Berlin. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage und großen Unsicherheit suchte er in Deutschland nach einem besonders sicheren Ort. Und das ist Calw im Schwarzwald bis heute (lacht).
Ein weiterer wichtiger Schritt für uns war die Neuform-Zertifizierung im Jahr 1965. Dadurch konnten wir im Reformhausmarkt wachsen – lange ein sehr erfolgreicher und geschützter Markt. Der nächste bedeutende Schritt war die Grundsteinlegung für unser Firmengebäude in Calw 1972. Beim Bauen wurde unsere eigene Quelle entdeckt, die bis heute das Tiefenquellwasser für die Herstellung unserer Produkte liefert. Das hat den Vorteil, dass wir ein ursprüngliches, sehr weiches und sehr reines Wasser aus dem Schwarzwald verwenden können.
2006 erfolgte mit der Erschließung des Parfümeriemarktes eine weitere wichtige Weichenstellung. Mittlerweile wird ein großer Teil unseres Umsatzes in den Parfümerien erzielt. Natürlich wird die Marke stets modernisiert. Wir waren eine der ersten, die das Thema Green Glamour wirklich gelebt haben und haben gezeigt, dass Naturkosmetik sehr wohl glamourös und gut riechend sein kann, mit einer effektiven Wirkung auf die Haut.
Damit haben Sie auch den Weg geebnet für viele andere Marken …
Nicolas Lindner: Ja, natürlich. Was uns sehr geholfen hat, war unser großer Außendienst, der als Markenbotschafter unsere Philosophie und Werte nach außen trägt. Der nächste große Schritt für Annemarie Börlind und auch für Dado Sens Dermacosmetics war der Markenrelaunch – wir haben die Marken noch stärker in Richtung Parfümerie positioniert. 2014 wurde der Relaunch von Annemarie Börlind gestartet, um zu zeigen, dass nicht nur die Produkte sehr gut sind, sondern auch deren Design. Das hat uns gut getan: Wir sind aktuell im IRI-Ranking auf Platz neun, klettern jedes Jahr noch etwas höher und wachsen im zweistelligen Bereich.
Bei Dado Sens Dermacosmetics hatten wir in den letzten zwei Jahren den Relaunch vorbereitet, der jetzt im März stattgefunden hat. Auch diese Marke wurde Richtung Parfümerie „getrimmt“, das heißt: Wir haben eine Positionierung besetzt, die es bislang in der Parfümerie nicht gibt – Dermakosmetik auf Naturbasis. Und das auch wieder in „Look & Feel“-Optik. Die aktuellen Trends, Dermakosmetik und Clean Beauty, berücksichtigen wir seit Gründung der Marke im Jahr 1987. Clean Beauty heißt: Wir geben nur die Inhaltsstoffe in die Creme, die tatsächlich einen Nutzen für das Hautproblem bieten. Alles andere bleibt draußen, denn jeder Inhaltsstoff kann zu einer neuen Reizung führen.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit von Industrie und Handel ist wichtiger denn je. Dafür bekommen Sie viel Lob aus den Parfümerien. Was gehört für Sie dazu? Was machen Sie anders?
Nicolas Lindner: Seit letztem Jahr schließen wir mit unseren Partnern einen Vertriebspartnervertrag. Wir haben einen hohen Anspruch und erwarten viel von unseren Partnern, im Umkehrschluss können sie auch viel von uns erwarten. Wir sind für das selektive Vertriebssystem. Das heißt, wir kümmern uns darum, dass nur von uns autorisierte Händler mit unseren Marken arbeiten. Wir codieren unsere Produkte und gehen aktiv gegen den Graumarkt vor. Wir helfen und betreuen unsere Händler sehr stark dabei, die Produkte so zu positionieren, wie wir uns das vorstellen. Am Counter, am Soft-Counter, mit Regaleinbauten, mit einem großen Außendienst und einem Trainingsteam. Der Kontakt am POS ist ganz wichtig. Das ist das, was uns erfolgreich macht.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen?
Nicolas Lindner: Auch wenn es uns sehr gut geht, stellen wir fest, dass der Wettbewerb richtig Gas gibt. Wir waren früher in unserer „heilen Naturkosmetikwelt“, doch jetzt kommen die Großen, wie L’Oréal mit Logocos, die massiv in den Markt drängen, um sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Deren Marketing- und PR-Budgets sind natürlich ganz andere. Für uns gilt, dass wir uns noch stärker auf das konzentrieren, was uns auszeichnet und was wir seit Jahrzehnten gut machen: Wir fokussieren uns auf unsere Wurzeln, sind aber dennoch modern. Glaubwürdigkeit ist uns als Familienunternehmen schon immer wichtig. Die Familienwerte sind auch die Unternehmenswerte, das gilt es zu kommunizieren. Die Markenbekanntheit müssen wir noch vergrößern.
Auch im Onlinehandel gibt es Kriterien, die Ihnen wichtig sind …
Nicolas Lindner: Das stimmt. Unser Onlinevertrieb basiert auf drei Säulen. Erstens unser eigener Webshop in Kombination mit Social Media. Hier gilt es, die Markenbekanntheit zu erhöhen, und die vielen tollen Geschichten zu erzählen, die es zu unserem Unternehmen gibt. Ein fantastisches PR-Medium. Daher haben wir die Bereiche PR, Online-Marketing und Marketing gebündelt. Die zweite Säule, das sind die Plattformen unserer Händler. Wir unterstützen beim Aufbau, screenen jedoch auch regelmäßig die Webseiten und schließen jene, die nicht vertriebspartnerkonform sind und es lediglich nur um schnellen Umsatz geht. Die dritte Säule ist die Bekämpfung des Online-Graumarktes. Wir glauben, wenn diese drei Bausteine gut zusammenspielen, dann bekommen wir das Online-Geschäft sehr gut in den Griff . Hier ist konsequentes Vorgehen notwendig.
Ihre F&E macht mit wegweisenden Entwicklungen von sich reden. Seit wann wird am Firmensitz entwickelt?
Nicolas Lindner: Von Anfang an. Wir hatten seit Unternehmensbeginn eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung und haben selbst hergestellt. Die Kompetenz war im Haus, zuerst natürlich durch meine Großmutter und das Know-how wurde dann sukzessive auf- und ausgebaut. Wir leisten uns ein großes Team, das stets auf der Suche ist nach innovativen Wirkstoffen, um moderne, hoch effektive Produkte zu entwickeln, im engen Austausch mit Lieferanten, Forschungsinstituten und Universitäten. Die Stammzellen der Schwarzwaldrose, die in unserer Pflegelinie EnergyNature wirken, war ein 3-jähriges Forschungsprojekt. Damit sind wir Vorreiter.
„Made in Germany“ ist ein Qualitätssiegel mit Strahlkraft. Ihre Produkte sind „Made in the Black Forest“. Welche Erfahrungen machen Sie damit?
Nicolas Lindner: Die Strahlkraft ist selbstverständlich da. Der Schwarzwald ist international sehr bekannt, ebenso wie der in Calw geborene Hermann Hesse. Und wenn wir nach draußen schauen … für Natur und Nachhaltigkeit könnte es keinen besseren Standort geben. Das ist auch für uns vor Ort sehr positiv, denn wir können hier die Arbeitsqualität und die Qualitätssicherung bestens aufrecht erhalten. Seit etlichen Jahren produzieren wir in Calw übrigens klimaneutral und sind von ClimatePartner zertifiziert.
Fairtrade ist schon lange ein wichtiges Thema. Welche aktuellen Projekte möchten Sie herausheben?
Nicolas Lindner: Fairtrade, das sind für uns nicht nur faire Löhne, sondern wir betreuen etliche soziale Projekte, die helfen, die Situation vor Ort zu verbessern. Wir bringen unser Know-how ein, helfen dabei, eine Qualitätssicherung aufzubauen und die gängigen Standards zu etablieren. So sind die Bauern nicht von unserem fairen Lohn abhängig, sondern so kompetent, dass sie im freien Handel auch an andere Unternehmen verkaufen können. Ein Beispiel ist ein Projekt in Namibia, von wo wir Jojobaöl beziehen. Im Rahmen unseres 60-jährigen Firmenjubiläums haben wir 60 000 Euro für den Anbau von Jojoba-Setzlingen gespendet. So wird unter anderem auch die Verwüstung der Region verhindert.
Was ist kurz- und langfristig geplant?
Nicolas Lindner: Ein wichtiges kurzfristiges Ziel ist die Etablierung von Dado Sens Dermacosmetics in der Parfümerie. Hier gilt es, die Distribution zu optimieren und auszuweiten, aber auch den Bereich Schulung, so dass Dado Sens in der Parfümerie mit geschärftem Markenversprechen punkten kann. Wichtig ist auch unsere Mediastrategie. Wir haben die letzten Jahre darauf verwendet, den POS so darzustellen, wie wir es uns vorstellen. Der nächste Schritt ist nun, in die Markenbekanntheit zu investieren. Im Bereich Print werden wir in allen relevanten Zeitschriften Anzeigen schalten, um noch mehr Endverbraucher zu erreichen.
Und: Es geht nicht nur darum, Rezepturen nachhaltig zu konzipieren, sondern auch nachhaltige Verpackungslösungen zu erarbeiten, wie bei unserer neuen Körperserie Body Care. Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen oder Rezyklat herzustellen, das wird in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Wichtig ist uns auch, innovative Konzepte mit unseren Handelspartnern zu erarbeiten. Neue Konzepte und Wege sind gefragt, auch im Bereich der Verzahnung von Online und Offline.