Wer zum ersten Mal nach Südafrika reist, hatte vorher vielleicht ein völlig anderes Bild vom ganzen Kontinent im Kopf: Das soll also Afrika sein? Diese sanften Landschaften, die streckenweise gar nicht so anders als in Deutschland aussehen? Südafrika ist dennoch anders, hat Steppe und Busch und jede Menge Nationalparks, von denen jeder einzelne einen Besuch wert ist. SPA inside entführt Sie weit in den Süden.
Schnee in Südafrika? Der freundliche Taxifahrer auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel schüttelt mit dem Kopf. „Bei uns in George schon lange nicht mehr.“ Die Kleinstadt am südlichen Zipfel des Landes lebt von Industrie und Landwirtschaft, vor allem aber vom Tourismus. Das Land hier ist einerseits flach und eben. Doch gleich hinter George drängen sich wie eine überdimensionale Kulisse die Outeniqua-Berge aneinander – stattlich-massiv tags bei Sonnenschein, fast schon bedrohlich in der Abenddämmerung und bei Nacht. Keine Stunde braucht der Flieger von George nach Kapstadt in Richtung Westen, oder nach Port Elizabeth im Osten. Es ist eine Gegend, die anzieht. Das Meer liegt direkt vor der Haustür der 215 000-Einwohner-Stadt in der Provinz Westkap. Vor allem Surfer und Badegäste lieben die Wellen. „Heiligabend sind unsere Strände überfüllt“, sagt der Fahrer und lacht. Denn Weihnachten, das heißt auch: Es ist Hochsommer in Südafrika.
Doch jetzt, zwischen Juni und August, ist Winter auf der Südhalbkugel, wenn auch in diesem Falle (noch) ohne Schnee. In George, direkt an der populären Garden Route, herrscht in diesen Tagen fast schon vornehme Ruhe. Wer Urlaub macht, wenn in Deutschland gerade jedes Schulkind die Sommerferien herbeisehnt, muss sich zumindest nicht vor überfüllten Straßen oder riesigem Andrang in südafrikanischen Geschäften, Bars und Restaurants fürchten. Dennoch: Das Land ist die lange Anreise – allein von München bis Johannesburg sind es rund zehn Stunden Flug – auch in dieser Zeit wert. Die Uhren ticken einerseits genauso wie zu Hause, weil es in der gleichen Zeitzone liegt und es deshalb zumindest im (europäischen) Sommer keine Zeitverschiebung gibt. Andererseits ticken sie auch ganz anders – denn es geht deutlich ruhiger zu. Etwa im Reisebüro, wo Besucher nach einem Shuttle zum nächsten Golfplatz fragen. Und natürlich mehr über die Garden Route wissen wollen. Wie eine Kette erstreckt sie sich entlang der Nationalstraße N2. Was Venedig für Italien ist, schaff t das Gebiet für Südafrika: Es lockt Besucher in Scharen. Einen exakten Start- und Zielpunkt gibt es nicht. Wer mag und Zeit hat, beginnt deshalb am besten großzügig schon weit im Westen vom beschaulichen Ferienort Hermanus mit seinen hübschen Buchten und schroff en Klippen aus. Und könnte keine 700 Kilometer und zehn Stunden später in Port Elizabeth ankommen. Allerdings nur auf direktem Weg im Auto und ohne jede Pause. Doch das wäre allzu schade. Reisende sollten, je nach Lust und Zeit, lieber mehrere Tage einplanen, besser gleich Wochen, um diese unvergleichliche Landschaft auskosten zu können.
Die Garden Route ist, streng genommen, trotz ihres Namens keine Strecke, sondern eine ganze Region, ja ein Naturparadies, welches sich entlang des Indischen Ozeans, vom Badeort Mossel Bay bis Tsitsikamma National Park im Osten erstreckt. Tourismusexperten haben längst erkannt, dass die Garden Route ein Pfund ist, mit dem es sich wuchern lässt und verschieben die Grenzen gern einmal zu ihren Gunsten. Macht nichts, gibt es doch so noch viel mehr zu sehen. Denn was eigentlich zählt, sind die vielen Eindrücke. Genau die gibt es auf der Fahrt vorbei an blühenden Wiesen, beschaulichen Städtchen und an malerischen Landschaften samt Küsten, Klippen und Wäldern immer wieder. Lust auf Safari und wilde Tiere? Elefanten und Nashörner gibt es zum Beispiel im privaten Lalibela Game Reserve am Eastern Cape. Wer Austern schlürfen mag, dem sei Knysna empfohlen mit einer kleinen Aufzuchtstation für die Leckerei aus dem Wasser. Seebären, Delfine und Wale gibt es dagegen unweit von Plettenberg Bay. Und wer es lieber unterirdisch mag, schaut sich die Cango Caves Tropfsteinhöhlen bei Oudtshoorn an: Das tief verzweigte unterirdische Höhlensystem ist nichts für Menschen mit Platzangst. Wer sich dennoch hinunterwagt, ist schlicht überwältigt, welche bizarren Kunstwerke die Natur geschaffen hat. Buschmänner sollen die Höhlen schon zu Urzeiten als Quartier genutzt haben. Heute können Besucher noch deren Wandbemalungen bewundern.
Wer zum ersten Mal nach Südafrika reist, hatte vorher vielleicht ein völlig anderes Bild vom ganzen Kontinent im Kopf: Das soll also Afrika sein? Diese sanften Landschaften, die streckenweise gar nicht so anders als in Deutschland aussehen? Südafrika ist dennoch anders, hat Steppe und Busch und jede Menge Nationalparks, von denen jeder einzelne einen Besuch wert ist. Eine Tour durch das riesige Land ist ein Erlebnis, ob mit dem Auto oder bequem in einem der luxuriösen Züge, die vorbei an Wein- und Obstanbaugebieten fahren und auf der Postkartenmotive en masse am Fenster auftauchen und wieder verschwinden. Tradition trifft auf Moderne in den Metropolen Johannesburg oder Kapstadt, wo es mindestens ebenso quirlig zugeht wie in London, Paris und Rom. Nicht zu vergessen die Gastfreundschaft der Südafrikaner, die mit Fremden schnell ins Gespräch kommen und stets ausgesprochen hilfsbereit sind. Als der Flieger von George zurück in Richtung Heimat abhebt, die Straßen entlang der Garden Route immer kleiner werden und bald ganz verschwinden, da fällt der Blick auf die höchsten Gipfel der Outeniqua-Berge. Und tatsächlich: Ganz oben hat sich über Nacht ein weißer Schleier niedergelassen. Nicht viel zwar, aber doch: Schnee in Südafrika mitten im Juli – es gibt ihn also doch.