Zwischen steilen Rebhängen und ausgedehnten Apfelplantagen verwöhnt die Kurstadt an der Passer mit mediterraner Vegetation, historischem Glanz, einem vielseitigen Kulturangebot und Südtiroler Gaumenfreuden.

„Immer schön piano“, steht auf der Tasche, die mir die freundliche Dame in der Kurverwaltung überreicht, prall gefüllt mit Informationen über Südtirols zweitgrößte Stadt nach Bozen. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schlendere gemütlich die Passer entlang, die über rundgeschliffene Felsbrocken lautstark durch die Stadt rauscht. Wow, ist das schön grün hier! Mit Palmen, Zypressen und Libanonzedern hatte ich am Fuße der Dolomiten nicht gerechnet. Das submediterrane Klima macht’s möglich. 300 Sonnentage gibt es durchschnittlich pro Jahr in Meran. Die Winter sind mild, die Sommer erträglich heiß, und im Frühjahr und Spätherbst ist es angenehm warm. Und dann diese frische Alpenluft! Kein Wunder, dass sich hier einst Adel, Großbürgertum und Intellektuelle tummelten in der Hoffnung, von ihren Lungenleiden geheilt zu werden.
Meran ist seit fast 200 Jahren eine beliebte Kurstadt. Neben Anwendungen mit radonhaltigem Wasser vom nahen Vigiljoch war anfangs die Traubenkur das „Signature Treatment“ der Wahl: Dabei verzehrte man große Mengen an Vernatsch-Trauben, neben Lagrein die wichtigste autochtone Rebsorte der Region. Außerdem sollten Spaziergänge den Heilungsprozess fördern. Der Mediziner Franz Tappeiner führte Mitte des 19. Jahrhunderts die „Terrainkur“ in Meran ein. Und weil er außerdem ein Botaniker aus Leidenschaft war, ließ er einen Spazierweg anlegen, der auf sanft ansteigenden Pfaden oberhalb der Altstadt über üppig bepflanzte Terrassen, Kräuter- und Duftgärten führt.

Kunstvoll Gemälde von Landschaften Südtirols zieren die Wandelhalle entlang der Passer (Foto: Simon_Koy)
Zum Flanieren gibt es viele Gelegenheiten, ob vorbei am Jugendstil-Kurhaus oder beim Shoppen unter den mittelalterlichen Lauben. (Foto: Alex-Filz)

Überall blüht und gedeiht es
Der Tappeinerweg ist aber längst nicht die einzige Promenade Merans. Die Stadt ist bekannt für ihre Spazierwege und bietet für jede Befindlichkeit die passende Strecke. Wer sehen und gesehen werden will, wählt die Kurpromenade und flaniert vorbei an etlichen Cafés, Bars und Restaurants Richtung Kurhaus. Es gibt eine sonnige Winter- und eine schattige Sommerpromenade, immer entlang der rauschenden Passer. Wer es gern wilder mag, kommt auf der Gilfpromenade auf seine Kosten. Dabei passiert man auch den Steinernen Steg, die älteste Brücke der Stadt. Romantikern sei die „Promenade der Poesie“ ans Herz gelegt: Bänke mit Gedichtzeilen laden zum lauschigen Tête-à-tête ein. Und dann wäre da noch ein Weg. Er ist der prominentesten „Touristin“ Merans gewidmet: Sissi weilte zweimal in der Kurstadt, ihre kränkelnde Lieblingstochter Marie Valerie im Schlepptau. Die legendäre Kaiserin sorgte für einen regelrechten Boom. Als sie 1870 zum ersten Mal zu Besuch kam, residierte sie auf Schloss Trauttmansdorff oberhalb der Stadt, wo der nach ihr benannte Weg hinführt. Das Anwesen ist vor allem für seine bezaubernden Gärten bekannt. Auch hier wächst, blüht und gedeiht es aufs Prachtvollste.
Nach so viel Wildwuchs steht mir der Sinn nach Kultur. Ich schlendere durch die schmalen Gässchen des Steinach-Viertels, dessen Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Beim barocken Palais Mamming lege ich einen Zwischenstopp ein und informiere mich über die Stadtgeschichte, beginnend mit zwei Menhiren aus dem Neolithikum, die im benachbarten Dorf Algund gefunden wurden, bis hin zur lebensechten Nachbildung eines Saltners, der in früheren Zeiten Obstwiesen und Weinberge bewachte – ausgestattet mit einem abenteuerlichen Kopfputz aus Fellen und Federn.

Gleich neben dem Palais ragt der Glockenturm der spätgotischen Pfarrkirche St. Nikolaus empor, das Wahrzeichen Merans. Das Gotteshaus bietet einige Besonderheiten, etwa ein riesiges Wandgemälde von St. Christophorus an der Südfassade. Wer genau hinschaut stellt fest, dass der Heilige zwei linke Füße hat. Was schöner wohnen im Mittelalter bedeutete, kann man in der Landesfürstlichen Burg erleben, Einblicke ins Schlafgemach inklusive. Doch nicht nur historisch Interessierte werden in Meran fündig. Es gibt auch ein Frauenmuseum, Foren für Gegenwartskunst und Performance, ein Theater und Konzerte im Kurhaus. Ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm macht die Stadt zu jeder Jahreszeit attraktiv.

(Bild: shutterstock / mika48)

Wo Sonne und Bergluft die Reben küssen

Edles aus dem Keller
Rund um Schloss Rametz wird seit 1227 Wein angebaut. Das Gut gehört zur Villa Eden und bietet neben Tastings auch Führungen durch Reben und Weinmuseum an. Im Restaurant des Schlosses kann man die edlen Tropfen zum Menü genießen. www.rametz.com


Urwüchsig und mediterran
Auch Shoppen macht Freude in Meran. Erste Wahl sind die Lauben. Unter den pittoresken Bogengängen vereint sich Traditionelles mit Modernem, Kuriositäten mit Mainstream, Kunst mit Handwerk. Natürlich gibt es auch allerlei Kulinarisches zu entdecken, vom aromatischen Südtiroler Speck über knuspriges Schüttelbrot bis hin zum regionalen Wein. Und wenn man hungrig ist vom vielen Promenieren, hat man die Wahl aus dem Besten der alpenländischen und mediterranen Küche. Bis auf den Teller reicht die Mischung aus urwüchsiger Bodenständigkeit und südländischem Dolce Vita. Das besondere Meraner Flair. Immer schön piano.


Kulinarisches Meran

(Foto: TommyHetzel)

Rössl Bianco
Der Name ist Programm: Im Rössl Bianco gibt es Spezialitäten der Tiroler wie auch der italienischen Küche, etwa Südtiroler Speckknödelsuppe oder Taglia-telle mit Kaninchenragout und Walnusspesto. Daneben besticht das traditionsreiche Restaurant unter den Meraner Lauben durch sein urig-historisches Ambiente mit Holzbalken und grob verputzten, teils freiliegenden Steinwänden. www.roesslbianco.it

RESTAURANT SISSI
Feine Küche auf höchstem Niveau bietet Sternekoch Andrea Fenoglio. Im Jugendstilspeisesaal mit Blick auf die Landesfürstliche Burg kredenzt er Klassiker der italienischen Küche wie Vitello Tonnato oder Pizza Margerita, aber auch Delikatessen wie Gänseleber, Kalbsbries oder Milchlammschulter mit Pistazienkruste. Der Schwerpunkt liegt auf der Piemonteser Heimat des Spitzenkochs. Gäste haben die Wahl aus drei Menüs mit sieben, fünf oder drei Gängen, es gibt auch eine vegetarische Variante. Die Weinkarte umfasst rund 500 edle Tropfen. Auf einen Dresscode wird verzichtet. Unser Tipp: Unter dem Motto „The short experience“ kann man ein schnelles Mittagessen oder lockeres Abendessen genießen. https://sissi.andreafenoglio.com

(Foto: Simon_Koy)
Südtiroler Speck wird mit geheimen Gewürzmischungen gepökelt und luftgetrocknet. Kaminwurzen gibt es aus Gams- oder Rehfleisch, mit Zirbe, Kräutern oder Chili. (Foto: shutterstock_KarlAllgaeuer)

Südtiroler Originale
Unzählige Leckereien, aber auch Handwerkliches und Naturkosmetik findet man in großer Auswahl im Genussmarkt Pur Südtirol in den Räumen des Meraner Kurhauses. Von Honig und Fruchtaufstrich über Speck, Kaminwurzen und Käse, Wein oder Äpfel bis hin zu Zirbenholz-Deko, Raumdüften und Edelweiß-Augencreme lässt der Markt keine Wünsche offen. In der Weinbar oder auf der Terrasse kann man regionale Tropfen und kleine Snacks verkosten. www.pursuedtirol.com

Eine Institution bei Fleisch und Wurst ist Metzgerei & Feinkost Siebenförcher in den Lauben. www.siebenfoercher.it

BISTRO CAFFÈ FINO
Das Restaurant des Hotels Aurora hat einen großen Außenbereich in bester Lage auf der Kurpromenade. Dort kann man ganztägig speisen, aber auch einfach nur bei Kaffee oder Apéro Leute gucken. Die Inhaber-
Familie Aukenthaler setzt auf italienische Küche mit möglichst regionalen Zutaten und eine Prise Kunst, die im Inneren bei wechselnden Ausstellungen präsentiert wird. Als leichter, leckerer Mittagssnack sei das Tatar vom Saibling aus dem Passeiertal mit grünem Spargel, Wachtelei und Avocado-Mousse empfohlen. Wer‘s deftiger mag, sollte die hausgemachten Spaghetti Carbonara mit kross gebratenem Wangenspeck aus Sauris und toskanischem Schafskäse probieren. www.fino.bz

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Klein und fein ist die Auswahl in der Schokoladenmanufaktur von René Romen. 13 Geschmäcker hat der 31-jährige Chocolatier aktuell im Sortiment, von Erdbeere, Pfefferminze und Orange bis hin zu Meersalz, Wacholderbeere oder Ziegenmilch.

In den Tafeln stecken maximal fünf Zutaten und keine künstlichen Zusatzstoffe, dafür aber pure Handarbeit, angefangen beim Rösten der Kakaobohnen. Wer sich nicht entscheiden kann: einfach mehrere kaufen, gemäß Renés Slogan „For diet it’s too late“. Die namengebende 58 ist übrigens eine Hommage an sein Meraner Elternhaus, das diese Nummer trug. www.58chocolate.com


Fünf Dinge, die Sie in Meran nicht verpassen sollten

(Foto: Marion-Gelmini)

Matteo Thun’scher Gucker Wie auf einer Himmelsleiter schwebt man über den Gärten von Schloss Trauttmansdorff. Die Plattform des Südtiroler Star-Architekten ist zu 95 Prozent sichtdurchlässig und bietet einen fantastischen Rundblick über das Etschtal und die Berge der Texel-Gruppe. Schwindelfrei sollte man allerdings sein.

(Foto: Valentina-Spogler)

Pulverturm Der mittelalterliche Turm am Beginn des Tappeinerwegs diente früher als Lager für Schießpulver. Er ist leicht zu besteigen und bietet eine tolle Sicht auf die Meraner Altstadt. Am Fuß des Bauwerks befindet sich ein Kiosk. Unter einer schattigen Pergola genießt man frische, leckere Speisen wie Spaghetti mit Meeresfrüchten.

(Foto: shutterstock/Bhanu-Piumal)

Pferderennplatz Neben dem Großen Preis von Meran ist vor allem das Haflinger Galopprenen bekannt. Bauern erscheinen dazu in traditioneller Tracht.
Großer Preis – Das Hindernisrennen im September lockt jährlich rund 13 000 Besucher an.

(Foto: shutterstock_lorenza62)

Panoramalift Freisitz mal anders: Der Sessellift befördert Sie schwebend aus dem Herzen der Altstadt über Weinberge hinweg hinauf ins Dorf Tirol. Besonders schön: Auf der Terrasse des Hotels Panorama (Bergstation) den Blick schweifen lassen und am Aperitif nippen.

Sissi Man kommt in Meran nicht um die ebenso schöne wie eigensinnige Kaiserin herum. Schließlich hat ihr die Stadt einen regelrechten Boom zu verdanken. Wer nicht den nach ihr benannten, 3,2 Kilometer langen Weg zurücklegen möchte, kann im Elisabeth-Park bei der Postbrücke ein Selfie mit der hohen Dame schießen.